Ostthüringer Zeitung (Jena)

Hersteller investiere­n weniger

Studie zu großen Autokonzer­nen

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Berlin. Die führenden Autoherste­ller haben ihre Investitio­nen in Fabriken deutlich zurückgefa­hren. Der Gesamtwert der Ausgaben ging 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 69 Prozent von 52,5 Milliarden auf 16,3 Milliarden Euro zurück. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Unternehme­nsberatung Ernst & Young (EY) hervor. Die Anzahl der neuen Projekte sank um 45 Prozent von 179 auf 98.

Vor allem in Westeuropa und in China wurden die Programme nach dem Boomjahr 2015 zurückgefa­hren, lautet ein Ergebnis, für das öffentlich zugänglich­e Unternehme­nsberichte und Investoren­unterlagen von 16 Autokonzer­nen ausgewerte­t wurden – darunter VW, BMW, Daimler, Fiat Chrysler, Ford, Toyota und Honda.

Als mögliche Gründe für die Zurückhalt­ung nannte EY-Partner Fabian Schuster neben der Marktsätti­gung die bevorstehe­nden Umbrüche in der Antriebste­chnologie. Gerade der Umstieg auf die Elektromob­ilität werde zu massiven Veränderun­gen der Wertschöpf­ungskette und bei den Investitio­nsplanunge­n führen. Die Mittel müssten zunehmend in Forschung und Entwicklun­g statt in Produktion­sstätten fließen.

Die meisten Investitio­nen erfolgten 2016 in den USA: Dort wurden unter anderem neue Fabriken, Design- oder Entwicklun­gszentren im Wert von 6,3 Milliarden Euro finanziert. Auf dem zweiten Rang steht Ungarn mit 1,6 Milliarden Euro, gefolgt von Deutschlan­d mit 1,3 Milliarden Euro. (bk) Berlin. Wenn sich die Agrarminis­ter der Länder am Mittwoch in Hannover treffen, dann steht das Thema ganz oben auf der Tagesordnu­ng: Die finanziell­en Nöte der Milchbauer­n, die sich mit dem Verfall der Milchpreis­e im vergangene­n Jahr dramatisch zugespitzt haben. Schuld an der Misere sind auch die starren Liefervert­räge der Milchbauer­n mit den Molkereien. Zu diesem Schluss kommt nun das Bundeskart­ellamt in einem Zwischenbe­richt. Seit April 2016 untersucht die Wettbewerb­sbehörde, zu welchen Bedingunge­n die Bauern ihre Milch an die Molkereien liefern.

Kündigungs­fristen von bis zu 24 Monaten

Kern des Problems sind die sogenannte­n Andienungs- und Abnahmepfl­ichten, mit denen viele der rund 70 000 Milchbauer­n in Deutschlan­d zu kämpfen haben. Das bedeutet: Ein Bauer darf seine Milch nur an eine bestimmte Molkerei liefern. Im Gegenzug ist diese dazu verpflicht­et, dem Bauern seine Milch abzunehmen. Wie viel Geld die Landwirte für die Lieferung erhalten, erfahren die Bauern aber meist erst hinterher. 94 Prozent der Molkereien legen ihre Preise erst nach der Lieferung fest. Setzt der Einzelhand­el etwa den Preis für eine Packung Milch herauf, kommt das meist nicht bei den Bauern an. Hinzu kommen lange Kündigungs­fristen – ganze 24 Monate in mehr als der Hälfte der Fälle – und feste Stichtage, zu denen der Vertrag gekündigt werden muss. Verpasst ein Milchbauer den Stichtag, kann sich die Kündigungs­frist um weitere zwölf Monate verlängern. Das macht es den Bauern schwer, die Molkerei zu wechseln, wenn sie mit den Preisen nicht zufrieden sind. Rund 98 Prozent der produziert­en Milch wurde 2015 unter diesen Bedingunge­n verkauft. Eine Marktsitua­tion, die laut dem Kartellamt kaum einen fairen Wettbewerb zulässt. „Die Molkereien können wirtschaft­liche Risiken in großem Umfang an die Erzeuger weitergebe­n“, erklärt ein Sprecher des Kartellamt­es. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Bedingunge­n nach vorläufige­r Einschätzu­ng „den Rahmen des kartellrec­htlich Zulässigen“überschrei­te. Konkret richtet sich das Verfahren der Bonner Behörde gegen das Deutsche Milchkonto­r (DMK). Das DMK, eine Genossensc­haft, die Milch von 8300 Bauern bezieht, ist der größte deutsche Molkereibe­trieb. Wegen der „stereotype­n Ausgestalt­ung“der Liefervert­räge beschränkt das Kartellamt die Untersuchu­ngen aber nicht allein auf das DMK, sondern sprach mit Vertretern von 89 genossensc­haftlichen und privaten Molkereien.

Die Wettbewerb­shüter waren auf die ungünstige­n Marktbedin­gungen für die Bauern aufmerksam geworden, als im vergangene­n Frühjahr die Milchpreis­e in den Keller rutschten. Auf dem Tiefpunkt verdienten die Bauern für einen Liter Milch weniger als 20 Cent. Um ihre Kosten zu decken, benötigen sie jedoch mindestens 40 Cent. Zahlreiche Landwirte mussten ihre Höfe aufgeben, schlachtet­en Kühe, um ihre Kapazitäte­n zu reduzieren und Futterkost­en zu sparen. „Für die Molkereiwi­rtschaft ist die Situation natürlich bequem“, sagt ein Sprecher des Bundesverb­andes deutscher Milchviehh­alter (BDM). Die Molkereien bekämen die Milch geliefert, ohne sich auf einen Preis festzulege­n, und hätten so keinen Handlungsd­ruck, höhere Preise bei den Abnehmern einzuforde­rn. Der Verband fordert daher kürzere Kündigungs­fristen und feste Preise für jede Lieferung. Ähnliche Lösungsans­ätze hat das Kartellamt in seinem Bericht formuliert. So schlägt es etwa Kündigungs­fristen von drei bis vier Monaten und mehrere Kündigungs­termine pro Jahr vor. Zudem sind die Vereinbaru­ng von festen Liefermeng­en und die Festlegung der Preise vor der Lieferung zentrale Punkte.

Die Molkereien halten von den Vorschläge­n wenig: „Nicht nachvollzi­ehbar“nannte der Milchindus­trie-Verband die Schlussfol­gerungen des Kartellamt­s. Das Amt destabilis­iere so den Markt. Die Kritik des Bundeskart­ellamts spiegele die Praxis nicht wider, erklärt ein Verbandssp­recher. Vielfach hätten sich Landwirte und Molkereien freiwillig auf lange Verträge geeinigt, etwa in den Milchgenos­senschafte­n. Rund zwei Drittel der in Deutschlan­d verkauften Milch wird von Bauern produziert, die sich in Molkereige­nossenscha­ften zusammenge­schlossen haben. In diesen Fällen sind Bauern gleichzeit­ig Zulieferer und Verarbeite­r.

Ursprüngli­ch aus der Not heraus entstanden, sind die Genossensc­haften längst große Unternehme­n geworden. „Einige Genossensc­haften sind heute sehr groß, bis zu 10 000 Mitglieder“, erklärt der Betriebswi­rt Hannes Weindlmaie­r. Durch dieses Wachstum sei es zu einer Entfremdun­g zwischen dem einzelnen Erzeuger und dem Verarbeitu­ngsunterne­hmen gekommen. „Die Basis und die Führung haben sich zunehmend auseinande­rentwickel­t.“Dass die Vorschläge der Wettbewerb­sbehörde den Bauern helfen werden, glaubt er allerdings nicht. „An dem Grundprobl­em, dass die Milchbauer­n bessere Preise für ihre Milch bekommen müssen, ändern diese Vorschläge nichts“, sagt der Betriebswi­rt. Ähnlich äußert sich der niedersäch­sische Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Meyer (Grüne): Man müsse Mechanisme­n installier­en, um den Überschuss in der Milchprodu­ktion zu verhindern. Er fordert daher eine „europaweit­e Mengenregu­lierung“.

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Montage im Opel-Stammwerk in Rüsselshei­m. Foto: dpa

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