Den Angsträumen entkommen
Eine Akteursgruppe wendet sich gegen rechtsextreme Tendenzen in Kahla – Ezra-Ausstellung öffnet heute
Demokratie konstruktiv und kritisch umgegangen wird. Und Angsträume verschwinden.
„Ich mache mir Sorgen um den Verlust der Menschlichkeit und der zunehmenden rechten Tendenzen“, sagt Barbara Kösling. Die Bürgerin hoffe, mit der Gruppe einen Gegenpol zu bieten. In der Stadt herrsche eine Atmosphäre des Stillschweigens, Bürger fürchteten Anfeindungen, wenn sie sich gegen rechtsextreme Personen auflehnen, sagt Kösling.
Andererseits sind es auch die Themen des täglichen Lebens. Wie gehen Kinder mit älteren Menschen um? Maik Jung, Leiter des Seniorenheims der Diakonie in Kahla, kennt schlechte Umgangsweisen aus Erfahrung. Ältere Menschen werden auf der Straße herablassend angesehen oder gar beschimpft. „Man darf niemand anderen einen Schaden zufügen“, ist sein Selbstverständnis. Im Seniorenheim werden regelmäßig Aktionen mit Kindern organisiert, um ihnen das Gespür im Umgang mit älteren und schwächeren Menschen beizubringen.
„Was ist lebenswert, was ist nicht lebenswert? Diese Diskussion gibt es in der Gesellschaft“, sagt Jung. Sie erinnert ihn allzu schlecht an die Zeiten der Nationalsozialisten in Deutschland, als Schwächere zu Menschen zweiter Klasse wurden. „Wir müssen diskutieren“, fordert Gerhard Huschenbett. Nicht nur miteinander, sondern auch mit Rechtsextremen, mit Mitläufern oder auch AfD-Politikern. Die Dresdner Rede des Landesvorsitzenden Björn Hocke („Denkmal der Schande“) war für Barbara Kösling beängstigend. Auch die anderen Mitglieder der Akteursgruppe sehen die Partei kritisch. Der Demokratieladen in der Margarethenstraße 11 ist seit 2013 ein Anlaufpunkt, um über Demokratie und Menschenrechte zu sprechen. Getragen wird das Projekt vom Bildungswerk Blitz. Im Frühjahr 2016, nach dem Brandanschlag auf dem Demokratieladen und das nebenliegende SPD-Büro, hatten sich Engagierte vorgenommen: „Wir müssen etwas machen.“Im Oktober fand bei der Diakonie in Stadtroda ein erstes Treffen statt, bei dem über das bürgerschaftliche Engagement gesprochen wurde.
Sich öffentlich präsentieren wollen die Mitglieder der Akteursgruppe am heutigen Dienstag. Im großen Rathaussaal öffnet die Ausstellung „Angsträume. Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen“. Konzipiert wurde sie von der mobilen Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen (Ezra). Sie wandert weiter in den Demokratieladen und ins SPD-Bürgerbüro. „Kahla ist eine kleine Stadt mit wenigen Menschen auf der Straße, da muss man präsent sein“, sagt Michael Becker vom Demokratieladen.
Eine Filmreihe folgt im April. Den Beginn macht „Der Kuaför aus der Keupstraße“am Montag, 3. April, im Gemeinderaum der evangelisch-lutherischen Kirche „St. Margarethen“. Beginn ist 19 Uhr. Und ein Workshop klärt am Mittwoch, 19. April, ab 17 Uhr im Demokratieladen auf, wie man sich vor Angriffen vor Neonazis schützen und ihnen gemeinsam entgegentreten kann.
Weitere Kahlaer können sich der neuen Gruppe anschließen. „Auch die Jenaer Zivilgesellschaft ist aufgerufen, nicht nur an der Stadtgrenze halt zu machen“, sagt Michael Becker.
„Wir müssen etwas machen.“