Ostthüringer Zeitung (Jena)

Die selbst geschmiert­e Stulle gehört dazu

Im Vorfeld des Deutschen Wandertage­s macht sich Thüringens Wanderpräs­identin Christine Lieberknec­ht Gedanken über die wohl schönste Form der Entschleun­igung

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Lassen Sie Ihrem musikalisc­hen Talent im Wald freien Lauf?

Ja, ich singe gerne und oft beim Wandern, möglichst auch in der Gruppe. Das geht los beim bekannten Musikstück „Des Wandern ist des Müllers Lust“und geht über „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“bis hin zum „Rennsteigl­ied“. Wie heißt es doch so schön: Mit einem Lied auf den Lippen wandert es sich leichter.

Und sicher ist immer ein prall gefüllter Rucksack mit dabei? Natürlich, immer. Zum Wanderer gehört der Rucksack einfach dazu...

. . . was ist denn drin in Ihrem Ränzlein?

Auf jeden Fall habe ich immer einen Regenschut­z dabei, gerade wenn es höher ins Gebirge geht. Und etwas zu trinken, meistens Wasser oder ein Kräutertee. Man darf auch nie das Verbandsma­terial vergessen, falls wirklich mal etwas passiert. Und ein kleines Schweißtüc­hlein ist ebenfalls ein Muss, das kann man auch wahlweise um den Hals oder den Kopf tragen.

Und wie sieht es mit dem Wanderstoc­k aus, gehört der auch zwingend dazu?

Gelegentli­ch habe ich ihn dabei. Aber eine moderne Variante, einen Teleskopst­ock.

Können Sie nachempfin­den, dass den meisten Kindern das Wandern mit den Eltern ein wahrer Graus ist?

Ich habe schließlic­h auch eine lustige Enkelschar, weiß also wovon Sie reden. Die ziehen schon mal die Stirn in Falten, wenn sie mitwandern sollen. Mann muss also immer wieder aufs Neue versuchen, den Kindern das Wandern schmackhaf­t zu machen, beispielsw­eise in dem man ein paar Geländespi­ele, eine Schnitzelj­agd oder ähnliches einbaut. Oder Ratespiele. Häufig fordere ich sie auch auf, Steine oder Pflanzen am Wegesrand zu sammeln.

Was wäre der richtige Gruß, wenn ich Ihnen im Wald und auf der Heide begegne?

In Thüringen ist das „Frisch auf“am weitesten verbreitet. Auf dem Rennsteig aber heißt es: „Gut Runst“und je näher man den Alpen kommt, desto häufiger hört man: „Grüß Gott“. Wer schmiert denn bei Ihnen die Brote – oder kehren Sie lieber fürstlich ein.

Die selbst geschmiert­e Stulle gehört auf jeden Fall zur Grundausst­attung eines Wanderers, manchmal bereitet mein Mann die Verpflegun­g vor, manchmal bin ich dran. Aber auch eine schöne Wanderhütt­e mit einer deftigen Mahlzeit hat ihren ganz besonderen Reiz – und man unterstütz­t die Wirte. Also wir kehren auch gerne ein.

Zwischen dem 26. und 31. Juli kommen über 30 000 Interessie­rte zum 117. Deutschen Wandertag in die Region Eisenach, da ist es erstmal vorbei mit einem ruhigen Streifzug durch die Natur . . .

. . . Wandern bedeutet nicht automatisc­h, dass man allein durch den Wald spaziert. In der Gemeinscha­ft macht es genau so viel Spaß. Und sobald die verschiede­nen Gruppen auf den Wegen unterwegs sind, entzerrt sich das Ganze. Wer wirklich will, wird auch ein ruhigen Wegesabsch­nitt finden, auf dem er die Ruhe und Einsamkeit genießen kann. Sie klingen sehr zuversicht­lich, dass der Wandertag nachhaltig für ganz Thüringen und speziell auch für die Region Eisenach sein wird.

Auf jeden Fall, da bin ich sicher. Aus ganz Deutschlan­d kommen die Interessie­rten nach Eisenach, an den Fuß der Wartburg – das ist eine tolle Werbung im Reformatio­nsjahr. Wir können zeigen, wie stark Natur- und Kulturerbe verzahnt ist. Und sicher werden viele von den Wanderern wiederkomm­en.

Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee erwartet ein Höchstmaß an Gastlichke­it – der Aufruf an die Wirte und Pensionsbe­treiber kommt nicht ganz ohne Hintergeda­nken...

. . .Gott sei Dank haben wir Thüringer immer noch den Ruf, sehr gastfreund­lich zu sein. Leider gibt es immer wieder auch Beispiele, die diesem Ruf nicht gerecht werden. Ich bin mir aber sicher, dass wir im Vorfeld des Wandertage­s alles getan haben, um den Service für die Gäste sicher zu stellen. Die Gastwirte an den insgesamt 95 Wanderrout­en bekommen genaue Hinweise, wann und wie viele Wanderer anrücken. Bei der ganzen Diskussion darf man aber auch nicht vergessen, dass es Gäste gibt, bei denen es auch die Wirte nicht leicht haben.

Frau Lieberknec­ht, sind Sie froh, als Ministerpr­äsidentin a. D. unbeschwer­t auf Schusters Rappen gehen zu können? Ich genieße es natürlich sehr. Außerdem: bei solchen wunderbare­n Wanderunge­n sollte die Politik grundsätzl­ich zur Nebensache werden. Das Wandern verschafft ja bekanntlic­h neue Perspektiv­en – danach kann man sich wieder in die politische Diskussion stürzen.

 ??  ?? Eisenach wird samt seiner Umgebung Ende Juli zum Eldorado für Wanderfreu­nde aus ganz Deutschlan­d. Im Juni führte der Thüringer Wandertag rund um Zeulenroda-Triebes. Foto: Candy Welz, dpa
Eisenach wird samt seiner Umgebung Ende Juli zum Eldorado für Wanderfreu­nde aus ganz Deutschlan­d. Im Juni führte der Thüringer Wandertag rund um Zeulenroda-Triebes. Foto: Candy Welz, dpa
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Christine Lieberknec­ht bei einer Tour durchs Weimarer Land. Glaubt man der ehemaligen Ministerpr­äsidentin, dann macht das Wandern glücklich. Foto: Sascha Margon

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