Im Osten ein Bettler
Im Gespräch mit Kaosclown Conrad Wawra aus Erfurt. Am Sonntag ist er in der Kulturarena Jena
richtig gut ist. Aber was sie ausflippen lässt, hat sich völlig verändert. Der traditionelle Zirkus mit Tieren ist kurz vorm Aussterben. Das will keiner mehr sehen, glaube ich.
Mochten Sie Clowns als Kind? Überhaupt nicht! Ich war einer von denen, die Angst hatten und Clowns nicht einschätzen konnten. Stephen King hat das ja mit „Es“thematisiert. Und die Horror-Clowns haben das im vergangenen Jahr auch ausgeschlachtet. Die rote Nase ist nicht nur die kleinste Maske der Welt, sie ist auch ein Signal: „Hey, Vorsicht!“
Deshalb hat der Kaosclown keine?
Der Kaosclown hat von Natur aus eine selten komische Nase. Die kann ich nicht abnehmen. In der Clownsausbildung war die rote Nase noch ein Schalter: Wenn ihr sie aufsetzt, hieß es, seid ihr Clowns und dürft machen, was ihr wollt. Perfektionische Schizophrenie! Aber wenn man das lange genug gemacht hat, legt sich der Schalter auch ohne Nase um. Als Klassenkasper in der Schule war das noch anders. Ich und der Clown – das war eins. Mittlerweile habe ich das ganz gut im Griff, glaube ich, so dass ich meine Umwelt privat nicht mit dummen Witzen nerve.
Sie haben also aus einer Schwäche eine Stärke gemacht?
Ja, genau so ist es.
Und sind damit viel unterwegs?
Ja. Ich war letzte Woche zum Beispiel in Bremen, dann in Osnabrück, in Mülheim an der Ruhr, in Löhne und zuletzt Suhl. Und man muss ja wirklich sagen: Es gibt einen riesengroßen Unterschied zwischen west- und ostdeutschem Publikum!
Inwiefern?
Wenn ich mich mit Feuerkeulen auf den Erfurter Anger stelle, sagen alle: Guck mal, der bettelt, aber er kann was! Stelle ich mich in Augsburg oder Freiburg auf den Marktplatz, heißt es: Ah, ein Künstler, lass uns da mal stehen bleiben! Hier im Osten muss ich auf Straßen- und Volksfesten kämpfen und krass reinbuttern, damit die Leute stehen bleiben und das cool finden. Das habe ich mir in gewisser Weise angewöhnt. Nach der Show in Bremen kam jetzt der Chef dort zu mir und meinte: „Junge, was machst’n du für’n Stress!? Nimm doch mal Druck raus!“Ich hatte das selbst schon gemerkt: Ich war noch gar nicht auf der Bühne, da waren die Leute schon auf hundertachtzig. Ich habe dann in den nächsten Tagen den Druck rausgenommen. Und es funktionierte – bis ich nach Suhl kam und wieder Gas geben musste.
Woran mag das liegen?
Die Wertschätzung ist eine andere. Das merkt man schon am Applaus. Der ist des Künstlers Brot. In Ostdeutschland esse ich Brötchen. Im Westen klatschen die Leute schon, da bist du noch gar nicht zu sehen. Dort ist Straßentheater eben viel etablierter. Wenn ich nur an die vielen Festivals allein im Ruhrpott denke! In Thüringen gibt es ein einziges: das Suhler Straßentheaterfestival im September, jetzt im dritten Jahr. Die Straße ist Ihre Bühne? Straßen und Plätze, Stadtfeste und Firmenfeiern, auch Galas – dort bin ich unterwegs. Im Varieté habe ich noch nicht richtig Fuß gefasst. Es gibt hierzulande aber auch kaum welche.
Aber es gibt die Kulturarena Jena.
Die Kulturarena bietet uns seit 2012 den Rahmen, uns darin frei zu bewegen. Wir kommen aus „Wonderländ“mit dem Wohnwagen voller Artisten und eigener Band nach Jena und präsentieren ein einziges Mal diese einstündige Show. Jetzt kommt „Wonderländ“zum sechsten Mal. Also habe ich mir überlegt: Wir machen diesmal alles ein bisschen sexy, so, dass es für Kinder und Familien gut funktioniert und sehr witzig wird.
Jedes Jahr sind andere Artisten dabei. Wen haben Sie eingeladen?
Antonia Modersohn ist die einzige Frau am chinesischen Mast, nicht zu verwechseln mit PoleDance-Stangen! Jean Pierre Ehrenreich aus Weimar zeigt als Monsieur Chapeau seinen weltweit einzigartigen Balance-Act auf Rollen, Brett und Koffern: Er baut extrem wacklige Türme, auf denen er zum Beispiel Handstand macht. Fabio Zimmermann, Gewinner der niederländischen Jongliermeisterschaft 2016, tritt auf, Christina Große geht als Momo am Vertikalseil hoch. Katja Berkowsky aus Berlin zeigt als Madame Putzick verrückte Kunststücke mit Putzsachen.