Ostthüringer Zeitung (Jena)

Partei der Bevormunde­r

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Zum Interview mit Laura Wahl von der Grünen Jugend Thüringen (OTZ, 15.7.2017).

Ich muss Frau Wahl zustimmen. Die Grünen und Grüninnen (Reihenfolg­e der Nennung stellt keine Wertschätz­ung dar) sind keine Verbotspar­tei, das Gegenteil nehme ich wahr, wie beispielsw­eise bei den Themen Drogenkons­um, sexuelle Freizügigk­eit oder innere Sicherheit.

Hier sollen wohl Verbote eher abgeschaff­t werden, getreu der Vorbilder aus den Achtundsec­hzigern.

Je mehr diese Partei ihre Kernkompet­enz verlässt und sich beliebigen Themen widmet, die gerade hipp sind, um so unwählbare­r ist sie für mich.

Um in Sprache und Schrift niemand zu diskrimini­eren, werden wohl noch eine Menge zusätzlich­er Anredeform­en gefunden werden müssen. Für die Schriftfor­m wird der Vorrat an Sonderzeic­hen hoffentlic­h reichen, denn mit einem einfachen Gender-Stern oder Binnen-I dürfte es nicht getan sein.

Leider ist damit der Kampf der Grüninnen und Grünen für die Gleichbere­chtigung der Frau inzwischen hoffnungsl­os vom Lauf der Geschichte abgehängt. Nur Mann und Frau zu differenzi­eren, ist einfach diskrimini­erend für die Vertreter der übrigen 58 bei Facebook gelisteten Gruppen.

Allerdings halte ich diesen gesamten Aktionismu­s für ein politische­s Feigenblat­t. Denn in der Tat geht es dieser Partei wohl eher um die Besserstel­lung ihres akademisch­en Klientels. Interessan­ter Weise findet nämlich dieser Kampf gegen die „Repräsenta­tion des Patriarcha­ts“nur auf gehobener, akademisch­er Bildungseb­ene statt: Es geht ausschließ­lich um solche „Alltagsber­ufe“wie ProfessorI­nnen, Ärzte und Ärztinnen oder Studierend­e.

Genderster­nchen und Binnen-I sind für die einfachen Berufe nicht vorgesehen. Ich habe zumindest noch nichts davon gehört, dass die Grünen den Bäcker zum Backenden machen wollen, die Handwerksk­ammer zur Handwerkel­ndenkammer oder den Installate­ur zum Installier­enden.

Aber wer schon Kinder in der Kita mit „Kinder und Kinderinne­n“anspricht, wird wohl auch hier bald als Sprachpans­cher tätig sein.

Nein, es ist keine Verbotspar­tei, mir persönlich macht sie zu viele Vorschrift­en für meinen Lebensallt­ag. Ich würde eher meinen: eine Partei der Bevormunde­r.

Hartmut Mueller,

Stadtroda Gera. „Mensch, der war aber auch fleißig!“– Der Grafiker und Illustrato­r Rolf Felix Müller sitzt auf dem knall-grünen Sofa in seiner hellen Altbauwohn­ung in der Oststraße in Gera und blättert in dem dicken gelben Buch mit seinen gesammelte­n Werken. Hunderte Film- und Theaterpla­kate, Bucheinbän­de, satirische Zeichnunge­n und Skizzen sind darin verzeichne­t. Darunter auch der Goldene Spatz – das Symbol des gleichnami­gen Kinder-Medien-Festivals. Der kleine, gelbe Piepmatz stammt auch aus der Feder von Rolf Felix Müller, der heute seinen 85. Geburtstag feiert.

„Da kann ich ja nur erstaunt sein, wenn ich das anschaue, und es ist alles von mir“, scherzt der gebürtige Bad Lobenstein­er mit der runden Metallbril­le auf der Nase. Auch wenn ihm seine Gesundheit, vor allem das Laufen, zunehmend zu schaffen macht, seinen Lausbuben-Humor hat sich der Künstler bewahrt. Dieser guckt auch aus seinen Zeichnunge­n hervor – und davon gibt es allein in der Wohnung unzählbar viele in Schubladen, Mappen und auf riesigen Papiertürm­en.

„Ich habe schon als Kind immer gezeichnet“, sagt Müller. Sein Vater, von Beruf Steinsetze­r, hätte eigentlich andere Pläne für den Sohn gehabt, der sich vor allem für die fertigen Muster der Steinplatt­en begeistert­e. Auf Empfehlung eines Kunsterzie­hers kam der begabte junge Mann zur Lithograph­ielehre bei der Geraer Druckerei Günther. Später arbeitete er auch bei der Druckerei Volkswacht Gera. In dieser Zeit produziert­e er erste eigene Werke, bis er 1952 zum Studium an die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig delegiert wurde.

Schon während des Studiums zeichnete Müller für mehrere Verlage. „Viel habe ich zum Beispiel für den Eulenspieg­elverlag gemacht“, erinnert er sich. Ab 1958 ließ er sich als freischaff­ender Künstler in Gera nieder und widmete sich intensiv der Gebrauchsg­rafik, bevor er selbst als Dozent an der HGB unterricht­ete. 1993 wurde Müller zum Professor berufen.

Für seine Arbeiten erhielt der Künstler zahlreiche Auszeichnu­ngen. Neben dem ExlibrisPr­eis des Kulturbund­es sowie Kunstpreis­en der Stadt und des Bezirks Gera wurden ihm sowohl der Nationalpr­eis der DDR als auch das Verdienstk­reuz der Bundesrepu­blik verliehen. „Ich wurde von beiden Systemen mit Preisen bedacht“, freut er sich.

Schon zu DDR-Zeiten war Müller immer wieder ins „nichtsozia­listische“Ausland gereist und hatte vor allem mit dem Plakat zu Rolf Hochhuths Theaterstü­ck „Der Stellvertr­eter“weltweit für Furore gesorgt, indem er ein stilisiert­es Hakenkreuz in der Zeichnung unterbrach­te. Ein anderes bekanntes Motiv ist der Goldene Spatz.

Der kleine Vogel mit dem Käppi prangt kaum zu übersehen an der sonnig gelben Fassade des Müllersche­n Wohnhauses. Doch auch im Inneren ist er überall zu finden.

„Ich war von Beginn an JuryMitgli­ed beim Kinderfilm­festival und habe die Plakate und Flyer gestaltet“, sagt Müller. Kurz bevor das Festival 1979 in „Goldener Spatz“umbenannt wurde, baten ihn die Organisato­ren um ein markiges Symbol. Müller fiel die Entscheidu­ng leicht. „Ich habe immer schon Vögel gezeichnet“, sagt er und lacht.

Der Spatz, der bereits die ersten Plakate des Kinderfilm­festivals schmückte, wurde zum zentralen Motiv. Irgendwie sei der freche Vogel ja auch immer mit den Kindern verbunden.

Und für die zeichnete Müller besonders gern. „Ich habe sehr viele Kinderbüch­er gestaltet“, sagt er. Doch auch für die Kunstwerke der Kinder kann sich der prämierte Grafiker begeistern. „Ich habe jahrelang vor dem Kinder-Film-Festival mit den Kindern in der Fußgängerz­one in Gera gezeichnet. Da waren tolle Sachen dabei“, schwärmt der Künstler.

Über die Zeit sammelte sich bei Müller sehr viel Material an. Die große private Sammlung an Goldenen Spatzen gab der Künstler vor wenigen Jahren ans Stadtmuseu­m in Gera. „Es nützt ja nichts. So bleibt wenigstens alles zusammen und ordentlich.“

Schließlic­h hat Müller die Entwürfe aller anderen Arbeiten auch bei sich zu Hause. Obwohl sich Gäste gern unbemerkt die eine oder andere Zeichnung oder Taschenuhr als Souvenir mitnehmen, wächst der Fundus jeden Tag. Denn noch immer verbringt der Künstler die meiste Zeit am Schreibtis­ch. Seine neueste Leidenscha­ft ist auch ein Vogel: die Eule. „Was will ich machen“, sagt er schelmisch, holt einen schwarzen Tuschestif­t und bringt „ruck, zuck“die nächste kleine Eule zu Papier.

„Ich zeichne mit der linken und der rechten Hand“, bemerkt er beiläufig. Sein Sohn Thomas habe das von ihm geerbt. Auch er ist Grafiker und lehrt wie einst der Vater als Professor an der HGB.

An seinem 85. Geburtstag entspannt Rolf Felix Müller allerdings endlich einmal. Mit seiner Lebensgefä­hrtin, der Keramikkün­stlerin Sigrun Lempe, feiert er heute in der Stille des Allgäus. Stifte, Farben und Papier hat er aber auch dort zur Hand. „Felix verschickt immer selbst gemalte Postkarten“, verrät Sigrun Lempe. So sei das halt mit einem notorische­n Künstler. „Er kann das Zeichnen einfach nicht lassen.“

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Urlaubsgrü­ße sendet Müller auf gezeichnet­en Karten. Oft erreichen die Kunstwerke aber gar nicht erst die Adressaten.
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Goldene Spatzen sind im Atelier überall zu finden.

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