Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Schulz muss Führung wagen

- Von Christian Kerl

Erst hat SPD-Chef Martin Schulz kein Glück, jetzt kommt auch noch Pech dazu: Bei der Präsentati­on des Wahlprogra­mms geht den Genossen schief, was nur schief gehen kann. Das Konzept ist noch nicht fertig, die Änderungsw­ünsche häufen sich, die Präsentati­on wird vorübergeh­end abgesagt – und als sich die Genossen über die Papiere beugen, müssen sie wegen Bombenalar­ms die Parteizent­rale räumen.

Das Chaos passt ins Bild. Mit beachtlich­em Ungeschick verstolper­t die SPD im Vorwahlkam­pf, was mit einem strategisc­hen Plan lange vorbereite­t war. Mindestens so schwer wiegt auch, dass die Genossen bei zentralen Punkten Antworten immer noch vermissen lassen. Was sich hinter dem wolkigen Verspreche­n einer Stabilisie­rung des Rentennive­aus verbirgt, weiß die SPD selbst noch nicht. Derweil klagt der Vorsitzend­e über Unwuchten des Hartz-IV-Systems, bietet dann aber nicht mehr als eine Minireform an. Erst ist Deutschlan­d für ihn ein „ungerechte­s“, jetzt vor allem ein „tolles“Land. Die Unentschlo­ssenheit ist die offene Flanke von Schulz.

Zu dieser Konturschw­äche gehört die Lässigkeit, mit der sich der SPD-Chef eine rot-rotgrüne Koalitions­option offen hält. Realistisc­h ist sie nicht – doch Schulz scheut eine klare Absage. Das kann nicht gut gehen. Noch ist der Kandidat in seiner Partei unangefoch­ten. Er muss die Zeit nutzen, um Profil zu gewinnen. Wer den Anspruch hat, Deutschlan­d zu regieren, muss zeigen, dass er führen kann.

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