Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Schulz muss Führung wagen
Erst hat SPD-Chef Martin Schulz kein Glück, jetzt kommt auch noch Pech dazu: Bei der Präsentation des Wahlprogramms geht den Genossen schief, was nur schief gehen kann. Das Konzept ist noch nicht fertig, die Änderungswünsche häufen sich, die Präsentation wird vorübergehend abgesagt – und als sich die Genossen über die Papiere beugen, müssen sie wegen Bombenalarms die Parteizentrale räumen.
Das Chaos passt ins Bild. Mit beachtlichem Ungeschick verstolpert die SPD im Vorwahlkampf, was mit einem strategischen Plan lange vorbereitet war. Mindestens so schwer wiegt auch, dass die Genossen bei zentralen Punkten Antworten immer noch vermissen lassen. Was sich hinter dem wolkigen Versprechen einer Stabilisierung des Rentenniveaus verbirgt, weiß die SPD selbst noch nicht. Derweil klagt der Vorsitzende über Unwuchten des Hartz-IV-Systems, bietet dann aber nicht mehr als eine Minireform an. Erst ist Deutschland für ihn ein „ungerechtes“, jetzt vor allem ein „tolles“Land. Die Unentschlossenheit ist die offene Flanke von Schulz.
Zu dieser Konturschwäche gehört die Lässigkeit, mit der sich der SPD-Chef eine rot-rotgrüne Koalitionsoption offen hält. Realistisch ist sie nicht – doch Schulz scheut eine klare Absage. Das kann nicht gut gehen. Noch ist der Kandidat in seiner Partei unangefochten. Er muss die Zeit nutzen, um Profil zu gewinnen. Wer den Anspruch hat, Deutschland zu regieren, muss zeigen, dass er führen kann.