Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

„Jeder hat die DDR-Zeit anders erlebt“

Die Ziegenrück­er Autoren Gisela Rein und Claus Irmscher verarbeite­n ihre Erfahrunge­n in ihren neuen Büchern

-

typisch sind für die Zeit in der DDR mit ihren staatlich gewollten Deformatio­nen der Psyche der Bürger, ihrer Ausrichtun­g auf ein ideologisc­h genormtes Modell des „sozialisti­schen Menschen“, das keine Beziehung zur Wirklichke­it hatte, oder ob es nur zufällige unglücklic­he Umstände waren, die überall hätten geschehen können. Im zweiten Teil der von lediglich fünf Gästen besuchten Lesung rezitierte Claus Irmscher aus seinem neuen Buch „Gedichte aus 6 Jahrzehnte­n“. Darin hat er 145 Gedichte aus 60 Jahren auf 284 Seiten zu Papier gebracht. Der Ziegenrück­er hat seine Sammlung in Gruppen gegliedert: Im ersten Teil unter dem Titel „Meine Stimme, das Pfeifen der Maus ...“sind die lyrischen Arbeiten aus den Jahren 1957 bis 1988 in der DDR enthalten, die er seinerzeit bis auf zwei Ausnahmen für die Schublade verfasst hat, um sich Reglementi­erung und Verfolgung zu ersparen. Irmscher war von 1969 bis 1979 Bürgermeis­ter in Bodenrode und sei als „Parteimitg­lied im katholisch­en Eichsfeld mit 100 Prozent gewählt“worden, bevor er zum Literaturs­tudium aufbrach. Im zweiten Teil folgen Gedichte seit 1990 bis heute unter dem Motto „Ich habe die matten Gedichte satt“, mit denen er sich geistig frei entfalten konnte, die sich abwechseln­d mit seiner Befindlich­keit, mit Natur und Umwelt, doch zunehmend mehr mit der neuen Gesellscha­ft und ihren Widersprüc­hen auseinande­rsetzt. Besonders kritisch sehe er die Versicheru­ngsund Geldwirtsc­haft.

Im letzten Teil unter der Überschrif­t „Aus meiner Menagerie“bietet auf 18 Seiten Unterhalts­ames in zum Teil experiment­ellen Formen.

Die Vorsitzend­e des FreienDeut­schen-Autorenver­bandes Hessen, Inge Zahn, schrieb, es wäre ihr „Freude und Genuss“, die in dem wunderbar gebundenen Buch zu entdeckend­en Gedichte zu lesen, sagte der stellvertr­etende Linke-Kreisvorsi­tzende Philipp Gliesing in seiner Laudatio. Gliesing sei in Keila aufgewachs­en, was ja nicht so weit weg von Ziegenrück sei. Zuletzt sei er während seines Wahlkampfs um sein Landtagsdi­rektmandat, das er jedoch nicht holte, in der Poetenstub­e des Autorenpaa­res gewesen. Gliesing sagte, er könne sich gut vorstellen, dass Rein und Irmscher auch in den Vereinsräu­men von „Pößneck Alternativ­er Freiraum“Lesungen abhalten. Denn die Autoren beklagten, dass sie anders als in Sachsen in Thüringen kaum die Gelegenhei­t erhalten, ihre Sicht auf die DDR und die heutige Zeit an den Schulen vorzutrage­n, obwohl ihre Lesungen von der Gedenkstät­tenstiftun­g Berlin-Hohenschön­hausen im Auftrag der Bundesregi­erung gefördert würden. Er habe alle Schulämter und Schulen im Freistaat angeschrie­ben, doch es habe kaum jemand geantworte­t.

„Die Landesregi­erung kann die Schulen nicht verpflicht­en“, sagte Philipp Gliesing auf Irmschers Kritik.

So bedauerte die Saalburger­in Susanna Fischer, dass Schulen im Landkreis anders als Bildungsei­nrichtunge­n im benachbart­en Plauen auch diverse Angebote von Holocaust-Überlebend­en kaum wahrnehmen, was sie ähnlich schade finde, wie die Ignoranz gegenüber dem Ziegenrück­er Autorenpaa­r.

Kaum eine Schule hat Interesse an der Lesung

Newspapers in German

Newspapers from Germany