Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Martin Schulz im Dilemma
So kämpferisch, geschlossen und inhaltlich gut vorbereitet wie in Dortmund hat man die SPD lange nicht erlebt. Martin Schulz hat schon bessere Reden gehalten, aber er hat eine klare Kursansage mit jener Angriffslust verbunden, die die SPD jetzt erwartet. Und seine Partei hat ohne Streit ein Programm verabschiedet, mit dem die Genossen Profil als linke Volkspartei gewinnen.
Nicht alles ist belastbar: Ihr Versprechen eines mit viel Steuergeld stabilisierten Rentenniveaus endet ausgerechnet 2030, wenn es ernst wird für die Rentenkasse. Und ihr Steuerkonzept wird zur Belastung auch für viele kleinere Unternehmen – in Zeiten voller Staatskassen ein seltsamer Plan. Aber alles in allem gelingt es der SPD, sich als ordnende Kraft für mehr soziale Gerechtigkeit zu positionieren. Allein: hilft das?
Bis in die SPD-Spitze hinein sind die Zweifel an einem Sieg verbreitet. Schulz hat die anfängliche Euphoriewelle ausrollen lassen, ohne rechtzeitig mit inhaltlichen Ansagen überdrüssige Merkel-Wähler an sich zu binden. Während sich Schulz in der Innenpolitik abrackert, enteilt ihm Merkel auf die internationale Bühne als gefühlte Garantin von Stabilität und Sicherheit. Dagegen kann er wenig ausrichten. Sein Ärger über die ungleichen Wettbewerbsbedingungen ist verständlich. Aber mit seinem Vorwurf, Merkel begehe mit angeblicher Debattenverweigerung einen „Anschlag auf die Demokratie“, geht er zu weit. Schulz sollte nicht die Nerven verlieren.