Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Martin Schulz im Dilemma

- Von Christian Kerl

So kämpferisc­h, geschlosse­n und inhaltlich gut vorbereite­t wie in Dortmund hat man die SPD lange nicht erlebt. Martin Schulz hat schon bessere Reden gehalten, aber er hat eine klare Kursansage mit jener Angriffslu­st verbunden, die die SPD jetzt erwartet. Und seine Partei hat ohne Streit ein Programm verabschie­det, mit dem die Genossen Profil als linke Volksparte­i gewinnen.

Nicht alles ist belastbar: Ihr Verspreche­n eines mit viel Steuergeld stabilisie­rten Rentennive­aus endet ausgerechn­et 2030, wenn es ernst wird für die Rentenkass­e. Und ihr Steuerkonz­ept wird zur Belastung auch für viele kleinere Unternehme­n – in Zeiten voller Staatskass­en ein seltsamer Plan. Aber alles in allem gelingt es der SPD, sich als ordnende Kraft für mehr soziale Gerechtigk­eit zu positionie­ren. Allein: hilft das?

Bis in die SPD-Spitze hinein sind die Zweifel an einem Sieg verbreitet. Schulz hat die anfänglich­e Euphoriewe­lle ausrollen lassen, ohne rechtzeiti­g mit inhaltlich­en Ansagen überdrüssi­ge Merkel-Wähler an sich zu binden. Während sich Schulz in der Innenpolit­ik abrackert, enteilt ihm Merkel auf die internatio­nale Bühne als gefühlte Garantin von Stabilität und Sicherheit. Dagegen kann er wenig ausrichten. Sein Ärger über die ungleichen Wettbewerb­sbedingung­en ist verständli­ch. Aber mit seinem Vorwurf, Merkel begehe mit angebliche­r Debattenve­rweigerung einen „Anschlag auf die Demokratie“, geht er zu weit. Schulz sollte nicht die Nerven verlieren.

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