Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Ehe für alle
Berlin. Auch Schwule und Lesben sollen in Deutschland heiraten können – die Forderung nach der „Ehe für alle“wird von allen Parteien außer Union und AfD geteilt. SPD und Grüne schließen eine Koalition aus, die Schwule und Lesben nicht heiraten lässt. FDP-Chef Christian Lindner rät seiner Partei hier ebenfalls zu einer roten Linie.
In Europa ist die Homo-Ehe in über einem Dutzend Ländern erlaubt. Seltener ist damit ein Adoptionsrecht verbunden. Vorreiter waren die Niederlande, dort wurden 2001 die weltweit ersten homosexuellen Ehen standesamtlich geschlossen. In Dänemark etwa haben Homosexuelle seit 2009 dasselbe Recht auf Adoption von Kindern wie Heterosexuelle. Berlin. Sie wollen ihn kämpfen sehen, und Martin Schulz gibt alles. Keine drei Minuten hat der SPD-Kanzlerkandidat am Sonntagmittag gesprochen, da geht er frontal auf die Kanzlerin los. Angela Merkels Strategie, im Wahlkampf keine konkrete Position zu beziehen, sei 2009 und 2013 erfolgreich gewesen, aber „nicht mehr 2017“, ruft Schulz.
Das Publikum in der Dortmunder Westfalen-Halle jubelt, dann legt Schulz nach. Wenn die Regierungszentrale und das CDU-Hauptquartier die Debatte um die Zukunft des Landes verweigerten, wenn sie „mit System die Wahlbeteiligung absenken“, dann nenne er das „einen Anschlag auf die Demokratie“.
Der Parteichef steht unter Druck
Anschlag auf die Demokratie? Das sind ungewöhnlich harte Worte des Herausforderers, der Merkel lange Zeit nie persönlich anging. Der Vorwurf ist überzogen, aber er gewährt einen Einblick in die Gefühlswelt des SPD-Chefs, der sich um die Früchte seiner Anstrengungen betrogen sieht: Seit Mitte Mai die NRW-Wahl für die SPD verloren ging, kämpft Schulz mit höchstem Einsatz für eine Trendwende. Er eilt von Auftritt zu Auftritt, hat Fehler eingeräumt und ein Wahlprogramm vorgelegt, das in Kernbotschaften von Steuerentlastungen und Rentenstabilisierung seine Handschrift trägt. Doch die Talfahrt in Umfragen geht weiter, die SPD liegt bis zu 16 Prozentpunkte hinter der Union.
Der Parteichef steht unter Druck. Dieser Parteitag soll den Wiederaufschwung einleiten, für die SPD und Schulz. Der Kanzlerkandidat macht klar, dass er jetzt auf Konfrontation setzt: Die Union wolle sich in schwierigen Zeiten ohne Kompass „durchwursteln“, erklärt Schulz, sie gefährde damit die Zukunft des Landes. Die SPD werde es der Union etwa nicht durchgehen lassen, dass sie die Rente aus dem Wahlkampf heraushalten wolle.
Es ist kein glanzvoller Auftritt, aber seine Rede enthält die obligatorischen Ingredienzien von grundsätzlicher Orientierung, Programm und Attacke. Die Genossen machen es ihm leicht, feiern ihn schon vor und während des Auftritts. Zum Ende gibt es zehn Minuten Applaus.
Der Parteitag ist auf Schulz zugeschnitten, auf Reden vom gastgebenden NRW-Landesverband oder von Außenminister Sigmar Gabriel wird verzichtet. Dafür darf Altkanzler Gerhard Schröder den Stimmungsteppich ausrollen. „Nichts ist entschieden“, sagt er mit Blick auf die Bundestagswahl. „Es ist noch viel Zeit, um die Stimmung zu drehen.“Der Altkanzler, der erstmals seit 12 Jahren wieder länger auf einem Parteitag redet, erinnert an die vorgezogene Wahl 2005. Damals habe die SPD mit ihm als Spitzenkandidaten zeitweise um über 20 Prozentpunkte hinter der Union gelegen – am Ende habe die CDU 35,2 Prozent erreicht und die SPD 34,2 Prozent.
Schröder weiß, dass das eine Ausnahmesituation war: Seine Entscheidung zu Neuwahlen demoralisierte die Genossen – bis Merkel im Wahlkampf einen Fehler nach dem anderen machte und die Stimmung wieder kippte. „Was damals ging, das geht heute auch“, ruft Schröder.
Schröder ist weiter umstritten, nicht wenige Genossen machen ihn und seine ReformAgenda für die schwierige Lage der SPD verantwortlich. Aber seine Botschaft kommt an, der Parteitag zeigt sich geschlossen wie selten. Das Wahlprogramm wird einstimmig verabschiedet. Noch am Sonnabend hatte Schulz im SPD-Vorstand Streitpunkte ausräumen lassen – Forderungen des linken Parteiflügels nach einer Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent des Durchschnittseinkommens oder nach Wiedereinführung der Vermögensteuer, die Schulz ablehnt, sollen noch einmal geprüft werden. Dafür punktet Schulz mit Ansagen wie der, er werde „keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist“.
Jenseits öffentlicher Auftritte zeigt inzwischen auch der Kanzlerkandidat Nerven; dass Umfragetief zehrt an ihm. Stellenweise wirkt Schulz dünnhäutig wie SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf den letzten Metern vor der Wahl 2013. Nur einmal bekräftigt er das Ziel, Bundeskanzler werden zu wollen.
Strategen in der SPD stellen sich längst darauf ein, dass die SPD wieder Juniorpartner in einer großen Koalition werden könnte. Beim Parteitag wird schon hinter vorgehaltener Hand spekuliert, dass mit SPDVize Olaf Scholz und Arbeitsministerin Andrea Nahles die nächste Generation für Spitzenämter bereitstehe.
Die Partei müsse das Kanzleramt auch wollen, sonst bekomme sie es nicht, sagt Altkanzler Schröder den Genossen: „Auf dem Weg in dieses Amt darf es keine Selbstzweifel geben.“Das gelte für den Kandidaten, aber auch für den Rest der Partei. „Auf in den Kampf“, ruft er.