Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
SPD setzt aus Trotz auf Schulterschluss
Erfurt/Saalfeld. Was die OTZ schon angekündigt hatte, vollzog sich gestern auch offiziell im Thüringer Politikbetrieb: Marion Rosin, bislang Bildungsexpertin in der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, hat ihren Austritt aus der SPD erklärt und um Aufnahme bei der CDU ersucht. Die hieß die abtrünnige Sozialdemokratin denn auch bereits am Vormittag in der Landtagsfraktion willkommen, die vorübergehend nun ein parteiloses Mitglied hat – die Aufnahme in die Partei wird laut dem Saalfelder Kreisverband erst in zwei Wochen vollzogen.
SPD-Landespolitiker gaben sich gestern deutlich angefressen von Rosins Fahnenwechsel, von dem zuvor in der Parteiführung offenbar niemand etwas geahnt hatte. Landesvorsitzender Andreas Bausewein äußerte sich zutiefst enttäuscht: „Ich kann’s nicht nachvollziehen“, wird er von dpa zitiert. Die von Rosin vorgebrachten Gründe seien für ihn „nicht stichhaltig“. Rosin hatte fehlende Augenhöhe innerhalb der Koalition von Linke, SPD und Grüne kritisiert, die von „dogmatisch-ideologischen Führungskadern der Linken“geprägt werde.
Die Bildungspolitikerin hatte auch die Schulpolitik der Koalition als ihren Kündigungsgrund angeführt. Rot-Rot-Grün werde dringend benötigte Lehrerstellen über die Änderung der Schulstruktur realisieren, so Rosin, mit der Folge von Schulschließungen. Die von Ministerpräsident Ramelow einberufene Strukturkommission Schule sei nur eine „politische Alibiveranstaltung“. Zudem habe die Linke aus ideologischen Gründen das bewährte Hortmodell zerschlagen. „Das Ergebnis ist ein Desaster, das noch über Jahre nachwirken wird“, so Rosin.
In der Koalition sei seines Wissens nie eine Initiative zur Bildungspolitik von Rosin abgeschmettert worden, sagte Bausewein dazu. „Wie man jetzt aus der Opposition heraus Bildungspolitik besser gestalten will als in der Regierung, muss mir jemand erklären“, so der SPD-Landeschef. Er gab sich überzeugt, dass die Koalition noch enger zusammenrücken werde. Zwar verfüge sie im Landtag nur noch über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. „Aber auch die Opposition ist ja nicht homogen.“
Wenig überraschend fielen gestern die Reaktionen in Rosins Heimat- und Wahlkreis Saalfeld-Rudolstadt aus. CDUKreischef Steffen Kania bewertet Rosins Wechsel vor allem als Reaktion auf das desolate Bild, das die Koalition in wichtigen Themen wie Bildung, Gebietsreform oder Haushaltspolitik abgebe. „Ich glaube, dass der heutige Tag der Anfang vom Ende des rot-rot-grünen Experiments ist“, so Kania. Ohne eigene Mehrheit sei die Regierung von der Stimme eines ehemaligen AfD-Mitglieds abhängig: „Der Wählerwille ist das sicherlich nicht.“
„Total enttäuscht“äußert sich hingegen Saalfelds SPD-Ortschef Steffen Lutz. „Marion Rosin, gewählt als Listenkandidatin der SPD, durch ihren Mann Richard Dewes und den damaligen Landesvorstand lange protegiert, legt nach zweieinhalb Jahren im Thüringer Landtag ihre sozialdemokratische Jacke ab und zieht das warme schwarz-konservative Mäntelchen der CDU an“, schreibt Lutz auf der Facebook-Seite des Ortsvereins. Den politischen Schaden räumt Lutz klar ein: Für die SPD-Fraktion und die Mehrheiten der Koalition sei ihr Wechsel allein schon wegen der knappen Mehrheit und der anstehenden Entscheidungen zur Gebietsreform ein schwerer Verlust.
Rainer Kräuter, Vorsitzender des Linke-Kreisverbandes, hofft, „dass sich der politische Schaden im Landkreis durch eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit der SPD minimal halten lässt.“Auf die Häme vor allem der CDU, wonach Rot-RotGrün mit nur noch einer Stimme Mehrheit im Landtag politisch kaum noch handlungsfähig sei, kontert der ehemalige PolizeiPersonalrat: „Mehrheit ist Mehrheit, auch mit einer Stimme. Die Koalition arbeitet ihre Agenda weiter ab.“
Nach dem Wechsel von Marion Rosin zur CDU wird die Mehrheit für Rot-Rot-Grün im Landtag noch dünner. Dass damit ihr Ende eingeläutet werde, weist die Koalition aber erwartungsgemäß zurück.