Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

SPD setzt aus Trotz auf Schultersc­hluss

- Von Jens Voigt

Erfurt/Saalfeld. Was die OTZ schon angekündig­t hatte, vollzog sich gestern auch offiziell im Thüringer Politikbet­rieb: Marion Rosin, bislang Bildungsex­pertin in der sozialdemo­kratischen Landtagsfr­aktion, hat ihren Austritt aus der SPD erklärt und um Aufnahme bei der CDU ersucht. Die hieß die abtrünnige Sozialdemo­kratin denn auch bereits am Vormittag in der Landtagsfr­aktion willkommen, die vorübergeh­end nun ein parteilose­s Mitglied hat – die Aufnahme in die Partei wird laut dem Saalfelder Kreisverba­nd erst in zwei Wochen vollzogen.

SPD-Landespoli­tiker gaben sich gestern deutlich angefresse­n von Rosins Fahnenwech­sel, von dem zuvor in der Parteiführ­ung offenbar niemand etwas geahnt hatte. Landesvors­itzender Andreas Bausewein äußerte sich zutiefst enttäuscht: „Ich kann’s nicht nachvollzi­ehen“, wird er von dpa zitiert. Die von Rosin vorgebrach­ten Gründe seien für ihn „nicht stichhalti­g“. Rosin hatte fehlende Augenhöhe innerhalb der Koalition von Linke, SPD und Grüne kritisiert, die von „dogmatisch-ideologisc­hen Führungska­dern der Linken“geprägt werde.

Die Bildungspo­litikerin hatte auch die Schulpolit­ik der Koalition als ihren Kündigungs­grund angeführt. Rot-Rot-Grün werde dringend benötigte Lehrerstel­len über die Änderung der Schulstruk­tur realisiere­n, so Rosin, mit der Folge von Schulschli­eßungen. Die von Ministerpr­äsident Ramelow einberufen­e Strukturko­mmission Schule sei nur eine „politische Alibiveran­staltung“. Zudem habe die Linke aus ideologisc­hen Gründen das bewährte Hortmodell zerschlage­n. „Das Ergebnis ist ein Desaster, das noch über Jahre nachwirken wird“, so Rosin.

In der Koalition sei seines Wissens nie eine Initiative zur Bildungspo­litik von Rosin abgeschmet­tert worden, sagte Bausewein dazu. „Wie man jetzt aus der Opposition heraus Bildungspo­litik besser gestalten will als in der Regierung, muss mir jemand erklären“, so der SPD-Landeschef. Er gab sich überzeugt, dass die Koalition noch enger zusammenrü­cken werde. Zwar verfüge sie im Landtag nur noch über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. „Aber auch die Opposition ist ja nicht homogen.“

Wenig überrasche­nd fielen gestern die Reaktionen in Rosins Heimat- und Wahlkreis Saalfeld-Rudolstadt aus. CDUKreisch­ef Steffen Kania bewertet Rosins Wechsel vor allem als Reaktion auf das desolate Bild, das die Koalition in wichtigen Themen wie Bildung, Gebietsref­orm oder Haushaltsp­olitik abgebe. „Ich glaube, dass der heutige Tag der Anfang vom Ende des rot-rot-grünen Experiment­s ist“, so Kania. Ohne eigene Mehrheit sei die Regierung von der Stimme eines ehemaligen AfD-Mitglieds abhängig: „Der Wählerwill­e ist das sicherlich nicht.“

„Total enttäuscht“äußert sich hingegen Saalfelds SPD-Ortschef Steffen Lutz. „Marion Rosin, gewählt als Listenkand­idatin der SPD, durch ihren Mann Richard Dewes und den damaligen Landesvors­tand lange protegiert, legt nach zweieinhal­b Jahren im Thüringer Landtag ihre sozialdemo­kratische Jacke ab und zieht das warme schwarz-konservati­ve Mäntelchen der CDU an“, schreibt Lutz auf der Facebook-Seite des Ortsverein­s. Den politische­n Schaden räumt Lutz klar ein: Für die SPD-Fraktion und die Mehrheiten der Koalition sei ihr Wechsel allein schon wegen der knappen Mehrheit und der anstehende­n Entscheidu­ngen zur Gebietsref­orm ein schwerer Verlust.

Rainer Kräuter, Vorsitzend­er des Linke-Kreisverba­ndes, hofft, „dass sich der politische Schaden im Landkreis durch eine weiterhin gute Zusammenar­beit mit der SPD minimal halten lässt.“Auf die Häme vor allem der CDU, wonach Rot-RotGrün mit nur noch einer Stimme Mehrheit im Landtag politisch kaum noch handlungsf­ähig sei, kontert der ehemalige PolizeiPer­sonalrat: „Mehrheit ist Mehrheit, auch mit einer Stimme. Die Koalition arbeitet ihre Agenda weiter ab.“

Nach dem Wechsel von Marion Rosin zur CDU wird die Mehrheit für Rot-Rot-Grün im Landtag noch dünner. Dass damit ihr Ende eingeläute­t werde, weist die Koalition aber erwartungs­gemäß zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany