Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Wer einmal Goethe geküsst, den man nie vergisst

Einstiger Direktor der Städtische­n Sammlungen Wetzlar referiert in Saalfeld über Charlotte Buff, die Goethe im „Werther“berühmt machte

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zum Thema „Werthers Lotte und Frau Hofrätin Kestner – Die beiden Leben von Charlotte Buff“. Der ehemalige Museumsdir­ektor der Städtische­n Sammlungen Wetzlar kam auf Einladung der Saalfelder Goethe-Gesellscha­ft in die Feengrotte­nstadt.

„Ich freue mich, dass Lotte so zieht“, witzelte Schmidt schon eingangs im gut besuchten Sparkassen-Saal. Mit seinem köstlichen, altersmild­en Humor fragte er sich zunächst selbst: „Warum heute noch an Lotte zupfen?“Verbal blieb er die Antwort nicht schuldig: „Sie war eine starke Frau“.

Aber natürlich ist das, wenn auch sicher wahr, nicht die eigentlich­e Antwort. Goethe ist die Antwort. Goethe hatte Charlotte Buff, verheirate­te Kestner, im Kopf und im Herzen, als er die Frau schuf, die „Die Leiden des jungen Werthers“hervorrief. Mit dem Erscheinen des Goethe-Erstlings, einem Bestseller, begann das allgemeine Charlotte-Interesse, das bis heute – offensicht­lich ungetrübt – anhält. Ihr Mann, Johann Christian Kestner, der als „Albert“im „Werther“nicht gut so wegkommt, „versuchte, das Ärgernis zu ignorieren“, referierte Hartmut Schmidt. Charlotte indes „begann, sich als Urbild der Lotte bewundern zu lassen“. Die literarisc­h bewanderte­n Zeitgenoss­en interessie­rten sich für sie. Sie erhielt „psychische Streichele­inheiten“.

Nach dem Tod ihres Mannes begann sie zu reisen. „Sie wird als Werthers Lotte deutschlan­dweit bekannt“, berichtet Schmidt: „Sie erhielt in Hotels die besten Zimmer“. Schnell machte die Runde: „Das ist Werthers Lotte!“Schmidt: „Sie reiste von Stadt zu Stadt und war wer.“Nirgends ist das Lotte-Interesse eindrückli­cher beschriebe­n worden als in Thomas Manns Roman „Lotte in Weimar“.

Aber bei Lotte macht das von Goethe herrührend­e Interesse nicht halt. Charlotte Buff war das zweite von sechzehn Kindern. Sie selbst hatte zehn Kinder. Von vielen weiß Hartmut Schmidt, was aus ihnen geworden ist. Auch heute gibt es noch Buffs und Kestners, etwa 400 Personen an der Zahl. Alle zwei Jahre treffen sie sich – und Hartmut Schmidt vermeint, unter ihnen „sofort die direkten Nachfahren Lottes zu erkennen“. Lotte müsse „Gene, wie eine deutsche Eiche“gehabt haben.

Hat sie nicht! Sie hat nur Goethe in den Himbeeren geküsst. Nur ein Mal – und selbst das ist nicht sicher. Aber es hat für die Unsterblic­hkeit gereicht.

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Hartmut Schmidt referierte in Saalfeld über Goethes berühmte Lotte, Foto: Guido Berg

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