Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
„Für die Briten ist nichts umsonst“
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über die Kosten des Brexit und den Spielraum für Steuersenkungen in Deutschland
Sie bilden einen gesellschaftlichen Konsens ab: Wichtig für die Deutschen sind sichere Renten, leistungsfähige Krankenkassen, eine gute Pflege – genauso wie wenig Arbeitslosigkeit, steigende Löhne und steigende Renten, all das haben wir. Die Sozialabgaben sind nicht zu hoch. Die Abgabenlast für die Wirtschaft ist vertretbar, sie sollte aber auch nicht steigen. Deutschland hat unter den großen Industrieländern die geringste Ungleichheit beim tatsächlichen Einkommen. Darum beneiden uns international viele.
Was antworten Sie Leuten, die fragen, warum für die Flüchtlingskrise plötzlich 20 Milliarden Euro zur Verfügung stehen?
Erstens mussten wir den Menschen, die zu uns kamen, helfen. Zweitens mussten wir verhindern, dass das Europa der offenen Grenzen zerbricht. Drittens mussten wir dafür sorgen, dass Europa seine Außengrenzen erfolgreich kontrolliert. Das kostet Geld. In der Zwischenzeit müssen wir die, die hier bleiben werden, gut integrieren. Diese Menschen wollen ja arbeiten und in die Sozialsysteme einzahlen, statt von ihnen zu leben.
An diesem Samstag beraten die EU-Staats- und Regierungschefs über den Brexit. Wie teuer wird er?
Die Briten müssen ihre Verpflichtungen gegenüber der EU bezahlen, das ist klar. Aber dann wird es schwierig. Länder, die Geld aus dem EU-Haushalt bekommen, sagen: Die Leistungen dürfen nicht geringer werden. Die Geberländer sagen: Wir wollen nicht mehr zahlen. Dazwischen müssen wir uns bewegen.
Es wird also teurer.
Mein Wunsch ist: Deutschland soll nach dem Brexit nicht mehr Geld an die EU zahlen. Das Geld im EU-Haushalt muss reichen, es muss effizienter ausgegeben werden als jetzt. Da ist noch viel Luft nach oben. EUMittel sollten nur für Aufgaben verwendet werden, die Europa insgesamt stärken. Aufgaben, von denen nur ein Mitgliedstaat profitiert, sollte dieser selbst zahlen.
Wie hart werden sie mit den Briten verhandeln müssen? Wir wollen Großbritannien nicht schwächen. Aber wir wollen auch nicht, dass der Rest Europas geschwächt wird. Großbritannien darf nach dem Austritt keine Vorteile haben, die andere Länder nicht haben. There is no free lunch – also: Nichts ist umsonst! Das müssen die Briten wissen.