Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Ullrich schließt Rückkehr aus
Düsseldorf. Ex-Tour-Champion Jan Ullrich hat sich über den Umgang mit seiner Vergangenheit enttäuscht gezeigt und eine Rückkehr in den Profiradsport ausgeschlossen. „Ich bin seit gut zehn Jahren raus, und immer noch wird bei mir über Doping geredet. Ja, ich habe Fehler gemacht, ich habe meine Strafe bekommen“, sagte Ullrich in „Bild“.
Deshalb komme eine Funktionärslaufbahn für ihn nie infrage, sagte Ullrich, der sich einen Seitenhieb gegen den Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer nicht verkneifen konnte. „Ich habe keine Ahnung, wie man das Amt gut ausübt. Präsident Rudolf Scharping übrigens auch nicht.“Ullrich veranstaltet inzwischen weltweite RadsportCamps und ist an einer Firma für Höhenkammern beteiligt. Inzwischen lebt er auf Mallorca. Düsseldorf. Das Tour-Heimspiel am Samstag in Düsseldorf beflügelt nicht nur die Fantasie des vierfachen Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin. Beim 14 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr zum Auftakt des Grand Départ der 104. FrankreichRundfahrt wollen auch André Greipel und der Arnstädter Marcel Kittel aufs Ganze gehen. Die bei den deutschen Meisterschaften leer ausgegangenen Topsprinter wollen nicht erst auf den avisierten Massensprint im Ziel der zweiten Etappe in Lüttich am Sonntag warten.
Radprofi Kittel will mit „Vollgas“in die Tour starten – genau wie Greipel. Wegen seiner Bärenkräfte wird der frühere Geraer „Gorilla“genannt – und als solcher rappt er in Facebook: „Go Gorilla – Rock the Tour“.
„Am Samstag werde ich probieren, so wenig Zeit wie möglich zu verlieren“, sagte der 34Jährige, der sich Chancen auf sein erstes Gelbes Trikot ausrechnet. „Die Möglichkeit dürfte nicht mehr wiederkommen – man wird nicht jünger“, sagte Greipel. Mit Zeitgutschriften als Etappensieger in Lüttich könnte er es schaffen – ein starkes Zeitfahren vorausgesetzt. Er nimmt seine siebte Tour in Angriff, holte bisher elf Etappensiege und sieht seine Nominierung für die Tortur differenziert: „Alle wollen hin, aber nach einer Woche will keiner mehr da sein.“
Auch Kittel, der seine Karriere als Junioren-Weltmeister im Zeitfahren startete, will schon zum Auftakt „Vollgas fahren, ohne etwas aufzusparen“. Sein Tourziel sei wie immer, eine Etappe zu gewinnen. „Gelb ist nicht mein bewusstes Ziel, ich will mich da nicht unter Druck setzen. Aber im Zeitfahren werde ich mein Bestes geben, und wenn ich dann in der zweiten Etappe vorne dabei bin, kann viel passieren“, sagte Kittel, der schon in der nächsten Saison wieder an der Seite seines Freundes Martin bei Katusha-Alpecin fahren könnte.
„Ich habe noch kein Team für 2018. Gespräche auch mit meiner Quick-Step-Mannschaft laufen. Unser Teammanager ist auf der Suche nach Sponsoren. Am besten wäre es, wenn ich während der Tour schon eine Vereinbarung erreichen könnte“, sagte der neunfache Tour-Etappensieger und zweimalige Träger des Gelben Trikots. Es heißt, Kittel will mehr Geld. Der deutsche Sponsor des Martin-Teams ist vielleicht nicht abgeneigt.
Tony Martin war schon bei den deutschen Meisterschaften in Chemnitz bei seinem siebten Titelgewinn im Zeitfahren total im Tour-Modus. Auf der langen 48-km-Distanz gingen ihm zuletzt etwas die Puste und Konzentration aus – er siegte nur mit 14 Sekunden Vorsprung.
„Ich bin so sehr im Tour-Fokus, da war die Meisterschaft nur eine Durchgangsstation“, sagte der vierfache Einzel-Weltmeister und ärgerte sich über eine 2500-Franken-Strafe des in der Schweiz ansässigen Weltverbandes UCI, weil er in Chemnitz reglementwidrig nicht das WM-Trikot getragen hatte. Auch wenn er mit seinen Leistungen in Sachsen nicht hundertprozentig zufrieden war, ist er für Düsseldorf zuversichtlich: „Meine Leistungsdaten stimmen.“
Nach der Nicht-Nominierung des ehemaligen Stunden-Weltrekordlers Rohan Dennis droht ihm vom ehemaligen Skispringer Primoz Roglic aus Slowenien oder dem Schweizer Stefan Küng die größte Gefahr im Unternehmen Gelb.
Aber sein Freund Kittel rät zu Gelassenheit: „Tony sollte sich vor der ersten Etappe nicht verrückt machen lassen. Selbst wenn es nicht klappen sollte, gibt die Tourstrecke ähnlich wie 2015 noch etwas her.“
Vor zwei Jahren holte Martin nach dem Etappensieg in Cambrai sein erstes Maillot Jaune.
Welche Chancen haben die insgesamt 16 deutschen Radprofis?
Sie haben in den letzten Jahren etliche Etappensiege geholt. Für den Gesamtsieg gibt es 20 Jahre nach Jan Ullrich keinen Kandidaten. Doch mit Zeitfahr-Spezialist Tony Martin sowie den starken Sprintern Andre Greipel, Marcel Kittel und John Degenkolb gibt es ein Quartett, das erneut für Etappensiege gut ist.
Wie anspruchsvoll ist der Streckenverlauf bei der 104. Tour-Auflage?
Es geht über 3516 Kilometer auf 21 Etappen durch Deutschland, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Erstmals seit 25 Jahren werden alle fünf großen Bergregionen Frankreichs angesteuert: Vogesen, Jura, Pyrenäen, Zentralmassiv und Alpen. Entschieden wird die Tour immer auf den sogenannten Königsetappen. Dieses Jahr sind es die drei Bergankünfte – eine weniger als 2016.
Wer überträgt die Tour de France 2017 im Fernsehen bzw. Internet?
Die Live-Übertragung beginnt in der ARD von Montag bis Freitag meist 16.05 Uhr, am Wochenende etwas früher. Wer vom Start an dabei sein will, kann die Etappen auf dem Sender One und im Internet-Livestream auf sportschau.de verfolgen. Auch Eurosport und eurosport.de übertragen alle Tagesabschnitte. (lelg)