Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Gemeinsam die Ruhe vor dem Sturm genießen
Nach und nach treffen auf der Bleichwiese die ersten Camper des Rudolstadt-Festivals ein – und das nicht nur, um die besten Plätze zu sichern
sechsten Mal dabei. Anfangs schliefen sie noch im Zelt, ehe sie im Jahr 2013 günstig ein in die Jahre gekommenes Wohnmobil kauften. Schimmel, Rost und andere Zahnabdrücke der Zeit hatten jedoch Spuren hinterlassen. „Wir haben viel Arbeit in die Renovierung gesteckt, aber es hat sich gelohnt“, sagt Bastian heute stolz.
Schon am Montag sind sie in das vorübergehende Zuhause am Saaleufer gezogen – und das obwohl die ersten Künstler erst am Donnerstag auftreten. Denn die Plätze direkt an der Saale unter den Schatten spendenden Baumriesen sind jedes Jahr heiß begehrt. Doch das ist für die Südthüringer nicht der einzige Grund, mit reichlich Vorsprung anzureisen.
Wie zum Beweis radelt ein Nachbar auf dem Weg ins Trockene vorbei. „Hallo Hermann“, grüßt die ganze Familie. Man kennt sich. Und so wird der Jahresurlaub nicht nur wegen der Aussicht auf einen Premiumplatz geopfert. „Die Atmosphäre ist bereits im Vorfeld des Festivals wunderschön. Viele der Leute hier kennen wir seit Jahren“, schwärmt Maria Coburger.
Da sind zum Beispiel Inge Siedow und Heinz Barth aus Schwandorf in Bayern. Sie parken, wohnen und arbeiten (hört, hört) direkt nebenan. Mit einem zum Wohnmobil umgebauten Lkw brechen sie seit 1998 regelmäßig einmal im Jahr nach Thüringen auf. Inge hat sogar ihr eigenes Büro dabei. Hinter einer vertäfelten Holzklappe kommt ein vollständiges Home-Office zum Vorschein, in dem die Grafikdesignerin noch vor Ort erste Videos vom Festival schneidet. Kochecke, Doppelbett und Dusche: Auch sonst ist das Wohnmobil Marke Eigenbau gut ausgestattet.
Inzwischen schüttet es wie aus Eimern. Wolfgang Jung Andreas sitzt ungefähr drei Caravanlängen weiter. Eine Kühltruhe mit Solarmodul, ein Gaskocher, zwei verschiedenfarbige Campingstühle und ein Plastiktisch sind die zentralen Einrichtungsgegenstände seines Domizils. Das Camp steht und fällt mit einer Baumarktplane, die er über sich und seinen VW-Passat, Baujahr 1990, gespannt hat.
Als der schlaksige Dresdner mit dem Hippiestirnband eine Pfeife anzündet und sich der Geruch des Tabaks mit dem des frischen Sommeregens vermengt, geht der Gemütlichkeitsfaktor durch die Decke. „Ich bin vor allem wegen der Musik hier, aber das Drumherum ist ebenfalls unvergleichlich gut“, sagt er.
Familienmobil, Hightechcamper und einfache Gemütlichkeit. Drei (Camping-)Glaubenssätze, wie sie unterschiedlicher nicht ausfallen könnten. Doch diese Vielfalt ist typisch für das Rudolstadt-Festival. Und so entsteht am Saaleufer bis zum musikalischen Startschuss des Festivals durch Amy Macdonald in gut einer Woche wahrscheinlich keine Langeweile – sondern höchstens die ein oder andere neue Freundschaft.