Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Frauen fahren aggressiver, sagt eine Frau
In männerdominierten Stockcarrennen fühlt sich Nicole Franzky wohl
Als „ein Autorennen für den kleinen Mann“bezeichnet der Veranstalter der Pößnecker Stockcar-Rennen René Schaubs den Sport bei dem beinahe schrottreife Fahrzeuge gegeneinander antreten. Das Ziel ist natürlich als Erster über die Ziellinie zu fahren. Mit vergleichsweise geringen Materialkosten und Lizenzfreiheit kann jeder Interessierte sich anmelden und mitfahren. Doch Vorsicht! Ohne Blechschaden kommt keiner davon.
Jedes Rennen ist voller Überraschungen: Motorschäden, zerbeultes
Blech und platte Reifen gehören zum Alltag der Fahrer. Zimperlich sollte man auf dem Weg zum Ziel nicht sein, es wird geschoben und gedrängelt was das Zeug hält.
Dass so Einiges auf der Strecke passieren kann, weiß Schaubs aus eigener Erfahrung, denn der Veranstalter der 16. Ausgabe des Rennens auf dem Pößnecker Sandberg war früher auch Fahrer. 2009 saß er das letzte Mal hinter dem Steuer und hatte dann die Idee mit seinem Team, Rennstall Schaubs, eine eigene Veranstaltung für Motorsportfans zu organisieren. Unterstützung fand er unter Rennfahrkollegen, Freunden und Bekannten. „Es wuchs mit den Jahren beständig. Ich erwarte etwa 500 Gäste und 60 Autos am kommenden Wochenende“, sagt der 50-Jährige. Darunter auch jede Menge Fahrerinnen.
Action, Spaß und Spannung garantiert
Denn seit sechs Jahren gibt es auch eine Frauenklasse. „Zuvor fuhren sie je nach Größe des Hubraums in den vier anderen Klassen gegen die Männer. Doch schon bald war die Idee für eine eigene geboren“, blickt Schaubs zurück. Das sei mit großer Begeisterung angenommen worden, zum diesjährigen Rennen erwartet er etwa ein dutzend Fahrerinnen. Sie würden sich auch anders als ihre männlichen Kontrahenten verhalten, meint Schaubs. Bei Rivalitäten auf der Rennstrecke würden sich Männer nach dem Lauf die Hand geben und alles sei damit geklärt. Frauen „sähen sich auf jeden Fall wieder“, meint er vielsagend.
Unterschiedliche Fahrweisen gäbe es durchaus, meint auch die Gewinnerin der Frauenklasse im vergangenen Jahr, Nicole Franzky: „Wir Frauen fahren aggressiver, weil wir das Auto zerstören können. Die Männer müssen es ja eh wieder reparieren.“Mit einem Augenzwinkern sieht sie ihre Rolle außerhalb des Überrollkäfigs in ihrem Opel Astra: „Ich reiche den Jungs ein Stück Kuchen beim Herumbasteln am Auto, um die Laune oben zu halten.“
Die Lokalmatadorin aus Pößneck fährt im Team „Automeister Querengässer“. 15 Motorsportbegeisterte haben sich vor vielen Jahren zusammengetan, um im Staub und Matsch gemeinsam zusammen zu sein. Es sind Mechaniker, Fahrer, ein Fotograf und natürlich die Anheizer, die für die gute Laune am Streckenrand sorgen. „Spaß steht an vorderster Stelle. Wir verbringen das ganze Wochenende an der Strecke. Die ganze Familie ist dabei, wenn wir mit dem Wohnwagen von Freitag bis Sonntag campen“, sagt sie voller Vorfreude. Denn ab heute Mittag ist das Gelände für die Teams geöffnet, um sich vorzubereiten. „Üben tue ich im Vorfeld nicht. Ich sammle meine Erfahrungen auf der Strecke. Mein Ziel ist es wieder auf den vorderen Rängen zu landen.“Am liebsten fährt die Rennsportlerin auf nassem Untergrund: Da rutscht sich es am besten. Für die Sicherheit bei den aggressiven Drängeleien sorgt ein Reglement: „Vorgeschrieben sind Helm, Brille, Handschuhe und am besten noch eine Halskrause. Die Fahrzeuge müssen mit einem Fahrerkäfig ausgestatten sein: Das heißt Überrollbügel sind Pflicht, ebenso das Entfernen jeglichen Glases“, sagt der Veranstalter. Trotzdem kommen die Fahrer nicht ohne Blessuren aus, denn es wirken starke Kräfte auf sie ein. In Pößneck sei bisher nichts Ernsthaftes passiert, meint René Schaubs. Was nicht heißt, dass es auf anderen Strecken nicht schon passiert sei. 2014 überschlug sich Nicole Franzky bei einem Rennen im sächsischen Dolsenhain. Sie berichtet: „Ich brach mir einen Mittelhandknochen. Mein Fehler war, dass ich zu spät das Lenkrad losließ.“Nach sieben Wochen saß sie bereits wieder am Steuer. „Es sieht alles gefährlicher aus, als es ist“, relativiert sie aus eigener Erfahrung die gewollten und ungewollten Unfälle auf der Rennstrecke. „Sicherlich fährt man die ersten Rennen vorsichtiger, aber man lernt ständig dazu. Das macht riesig Spaß!“