Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Trump verschont die EU – vorerst
Atempause bei Auseinandersetzung mit den USA um Strafzölle. Drakonische Maßnahmen des Präsidenten gegen China
Peter Altmaier (CDU) hatten zu Beginn dieser Woche in Washington auf eine Aussetzung der protektionistischen Maßnahmen gepocht und mit entsprechenden Importaufschlägen für diverse USProdukte wie Motorräder oder Spirituosen gedroht.
Offensichtlich mit Erfolg. „Europa hat sich gemeinsam und einheitlich positioniert“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim EU-Gipfel in Brüssel.
Im Entwurf einer Gipfel-Erklärung geben sich die 28 Staatsund Regierungschefs so dialogbereit wie entschlossen: Die EU hält an ihrem Einsatz für ein offenes und regelbasiertes Handelssystem fest, will weitere Handelsverträge abschließen und Handelskriege vermeiden. Aber klar sei: Europa ist auf der Hut und auf alles vorbereitet. Und klar sei auch, dass sich die EU von den USA kaum in einen Konflikt mit China treiben lassen könne, wenn damit gegen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen würde. Für die Beratungen der Regierungschefs waren deshalb auch alle Szenarien durchgespielt worden, einschließlich möglicher Gegenschläge, wenn Präsident Trump doch an den Zollplänen für Europa festgehalten hätte.
Die Leitlinien: Ausnahmen von Zöllen soll es nur für die gesamte EU geben – die US-Regierung hatte wohl vergiftete Angebote an Polen und Großbritannien getestet. Zweitens soll ein Handelskrieg, wenn es irgend geht, vermieden werden, aber die Einleitung stufenweiser Gegenschläge gehört zum vorhandenen Notfall-Instrumentarium. Drittens betont die EU ihre Dialogbereitschaft und die bisherige Partnerschaft mit den USA. Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist es ein erster Etappensieg im neuen Amt. Sein Ziel war es, Zeit zu gewinnen und die High-NoonAtmosphäre zu zerstreuen. „Einen Wettlauf um immer höhere Zölle kann niemand gewinnen“, sagte er. Durch seine Zeit im Kanzleramt und im Bundesumweltministerium krisentauglich geworden, hatte er sich am Montag und Dienstag als Vorhut für EU-Kommissarin Cecilia Malmström, bei der das alleinige Verhandlungsmandat liegt, in Washington um Herstellung einer konstruktiven Atmosphäre bemüht.
Ungeachtet des Entspannungssignals gegenüber Europa setzt Präsident Trump im Ringen mit dem geopolitischen Rivalen China weiter auf Konfrontation. Er unterzeichnete am Mittag im Beisein von Chefs großer Technologie-Unternehmen ein umfangreiches Maßnahmenpaket aus Zöllen und anderen Strafauflagen. Damit soll vor allem der Schutz des geistigen Eigentums von US-Produzenten optimiert werden. Das Finanzvolumen beläuft sich nach inoffiziellen Angaben des Finanzministeriums auf rund 50 Milliarden Dollar. Trump löst damit ein weiteres Versprechen aus dem Wahlkampf ein, als er Peking regelmäßig unfaire Handelspraktiken vorhielt und das hohe Handelsdefizit von rund 375 Milliarden Dollar im Jahr mit China kritisierte.
Das Handelsministerium in Peking erklärte, man werde mit den „notwendigen Maßnahmen“reagieren. „Der Rest der Welt muss zusammenstehen, um einen Handelskrieg zu verhindern“, schrieb eine chinesische Staatszeitung. Aus der Geschichte wisse man, dass „Nadelstiche des Protektionismus“zu den „Schüssen eines Krieges“führen können. Brüssel. Eigentlich sollte sich der EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel vor allem internen Wirtschaftsund Finanzfragen der Union widmen – stattdessen müssen sich die Regierungschefs am ersten Tag vor allem mit internationalen Krisen befassen: Streit mit den USA, Spannungen mit Russland, Probleme mit der Türkei. So gern Europa außenpolitisch kraftvoll mit einer Stimme sprechen möchte – es ist nicht leicht, Geschlossenheit herzustellen. Dass sie sich auszahlen kann, zeigt am Nachmittag die Wende im Handelskonflikt mit den USA. Aber die Regierungschefs machen sich keine Illusionen: Es ist eine Atempause, Präsident Donald Trump wird der EU weiter Sorgen machen. Und dann ist da noch die Frage: Wie umgehen mit Russlands Präsident Wladimir Putin?
Die Regierungschefs verurteilen den Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal „auf das Schärfste“, wie es im Entwurf einer GipfelErklärung heißt. Doch schnell wurde deutlich, dass sich die EU der 28 nicht auf eine offene Schuldzuweisung an Russland einigen kann. Der Gipfel erklärt dagegen nur, man nehme die britische Bewertung „sehr ernst“.
Da ist die Brüsseler Botschaft an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fast noch direkter. Am Montag trifft sich Erdogan mit den Spitzen der EU-Institutionen im bulgarischen Warna, es soll unter anderem um das Flüchtlingsabkommen gehen – doch vor dem Gipfel verschärfen die Regierungschefs, die in Warna nicht dabei sind, schon mal die Tonlage. Sie äußern in einer Erklärung „große Besorgnis über die fortdauernde Inhaftierung von EU-Bürgern in der Türkei“.