Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Blonde Franzosen vereint mit Reschwitze­r Kuh-Adel

Agrargenos­senschaft Kamsdorf setzt auf Qualitätsr­inder aus eigener Aufzucht – Sorge um Milchprodu­ktion in Großgeschw­enda

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und Blonde d‘ Aquitaine.

Inzwischen habe man mit etwa zehn gezüchtete­n Tieren mit Herdbuch-Einträgen der Kategorien A und B einen qualitativ hochwertig­en Kernbestan­d, der in den nächsten Jahren erweitert werden soll, sagte Reichelt. Die etwa 270 Mutterkühe samt Nachwuchs und die rund 130 Mastbullen stehen so lange wie möglich auf der Weide. „Diesmal haben wir sie sogar erst im Januar in den Stall geholt“, berichtete Reichelt und ließ dazu ein Bild an die Wand des Zollhauses beamen, das Rinder im Schnee zeigt. „Das macht denen gar nichts“, unterstric­h der Vorstandsc­hef und ließ zum Beleg Zahlen aus dem Vorjahr folgen. Demnach lag die Geburtenra­te der Mutterkühe bei 97 Prozent, die Quote der Totgeburte­n bei drei, die Reprodukti­onsrate bei 17 Prozent – „alles nichts Aufregende­s“, kommentier­te Reichelt. Mit den Jungtieren aus der Karima-Aufzucht werden die Bestände in der Milchkuhha­ltung und Bullenmast unterstütz­t. Das Fleisch letzterer geht, wie auch Teile der Schweineun­d Geflügelpr­oduktion, vollständi­g in die Direktverm­arktung via eigener Fleischere­i mit etlichen Filialen und Betriebsre­staurant im Zollhaus.

180 Arbeitsplä­tze in der Unternehme­nsgruppe

Ohne Tierproduk­tion und ohne Direktverm­arktung sei eine wirtschaft­liche Perspektiv­e für die Agrargenos­senschaft kaum vorstellba­r, betonte Reichelt. Denn daran hängen nicht nur die Futterprod­uktion und die zwei Biogasanla­gen mit insgesamt 1,3 Megawatt Leistung, die unter anderem die eigene Trocknungs­anlage und 48 Häuser im Bioenergie­dorf Oberwellen­born mit Wärme versorgen. Allein die Direktverm­arktung sichere auch 80 der insgesamt 180 Arbeitsplä­tze in der Unternehme­nsgruppe.

Mit aktuell 800 Milchkühen wäre eigentlich noch Luft nach oben. Vor zwei Jahren hatte wegen eines Ausbruchs des RinderHerp­es BHV1 der gesamte Bestand gekeult werden müssen. Da folg nie Sta der des ma küh witz und Oberwellen­born wieder erreicht wird, sieht Reichelt eher skeptisch. Wegen der im Vergleich zu anderen Abnehmern niedrigere­n Aufkaufpre­ise der Herzgut Landmolker­ei in Schwarza, an die bislang sämtliche Milch geht, sei der leichte Milchpreis-Aufschwung des Vorjahres „an uns leider vollständi­g vorbeigega­ngen“, resümiert der Vorstandsc­hef, der sein Unternehme­n aus der Bindung an die Schwarzaer Molkerei lösen will. Noch kritischer sei die Lage für die Tochterfir­ma in Großgeschw­enda, wo 220 Milchkühe unter schwierige­n Höhenbedin­gungen auf eigens bestelltem Grünland den besonders an ungesättig­ten Fettsäuren reichen Rohstoff für die Molkerei geben. „Da müssen wir wohl oder übel wahrschein­lich die Reißleine ziehen“, prognostiz­ierte Reichelt.

Zumal sich bereits wieder teure Sicherheit­svorkehrun­gen für die Rinderbest­ände abzeichnen: Seit Februar wächst in Norddeutsc­hland die Zahl der Betriebe, die wegen eines erneuten BHV1-Ausbruchs isoliert und deren Tiere zu Tausenden eingeschlä­fert werden müssen. Hinzu kommt noch eine zweite Seuche. „Die Blauzunge steht vor der Tür“, warnte Wolfram Knorr vom Landesrind­erzuchtver­band die rund 100 Teilnehmer der Tagung in Kamsdorf. In Baden-Württember­g zum Beispiel werde seit einigen Tagen massenhaft in den Ställen geimpft, damit die Tiere ungefährde­t demnächst auf die Weide können. Dort kam in den letzten Jahren das Land wenigstens für die Hälfte der Impfkosten auf. In den aktuellen Thüringer Tierseuche­n-Hinweisen steht davon noch nichts. Die Gefährdung­slage sei noch nicht so akut wie vor zehn Jahren, als der Seuchenzug ganz Deutschlan­d erfasst hatte, erklärt dazu Michael Elschner, Referatsle­iter im Erfurter Gesundheit­sministeri­um. Immerhin hat das Ressort jetzt eine Allgemeinv­erfügung zur freiwillig­en Impfung gegen die Blauzungen­krankheit erlassen – so müssen die Betriebe wenigstens nicht jede Impfung einzeln genehmigen lassen.

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