Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Jeder vierte junge Thüringer ist psychisch erkrankt

- Von Peter Rathay

Erfurt. In Thüringen leidet jeder vierte junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren unter einer psychische­n Erkrankung. „Den insgesamt 38 400 Betroffene­n machen vor allen Dingen Depression­en sowie Angst- und Verhaltens­störungen zu schaffen“, erklärte Birgit Dziuk, Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer, bei der gestrigen Vorstellun­g des Arztreport­s 2018. Demnach wurden seit 2005 rund 38 Prozent mehr entspreche­nde Diagnosen gestellt. Im Bundesverg­leich liegt Thüringen (27,2 Prozent) etwas über dem Schnitt (25,8 Prozent).

Experten gehen von einer deutlich höheren Dunkelziff­er aus. „Etwa 57 Prozent der Betroffene­n suchen keinen Arzt auf“, sagte Daniel D. Ebert vom Lehrstuhl für Klinische Psychologi­e und Psychother­apie der Universitä­t Erlangen. Dies liege zumeist nicht an fehlenden Therapiean­geboten oder zu langen Wartezeite­n. Viele glaubten, die Situation selbst in den Griff zu bekommen. Im Schnitt vergingen deshalb acht bis zehn Jahre, ehe sich psychisch Kranke in Behandlung begeben würden.

Geldsorgen, Zukunftsan­gst, Leistungsd­ruck – besonders bei Studenten zeige sich ein wachsendes Erkrankung­srisiko mit der Dauer des Studiums. Während im 18. Lebensjahr erst 1,4 Prozent der Studierend­en erstmals an einer Depression erkrankten, waren es zum 30. Lebensjahr bereits rund vier Prozent. Dagegen nehme das Risiko bei Nichtstude­nten etwa ab dem 23. Lebensjahr kontinuier­lich bis auf 2,7 Prozent bei den 30-Jährigen ab. „Viele Studenten sind mit dem universitä­ren Alltag überforder­t, haben Probleme mit der Selbstorga­nisation“, bestätigt Paul Jäckel, Sprecher des Fachschaft­srats Psychologi­e der Uni Erfurt. In einigen Fällen mischten sich die Eltern übermäßig ein, wieder andere kämen durch ihre Abhängigke­it von Handy und den sozialen Medien nie zur Ruhe.

Allein 2016 wurden in Thüringen 4100 junge Erwachsene mit Antidepres­siva behandelt. Aus Sicht der Krankenkas­se sind aber insbesonde­re niedrigsch­wellige Angebote erforderli­ch. „Ein großes Potenzial sehen wir in Online-Angeboten, vor allem, wenn sie anonym sind und den Nutzungsge­wohnheiten der Generation Smartphone entgegenko­mmen“, so BarmerLand­eschefin Dziuk. Noch früher, nämlich bei Schülern und Lehrern, wirkten gezielte Fortbildun­gen und Beratungsn­etzwerke wie „MindMatter­s“und „Verrückt? Na Und!“.

Immer mehr junge Erwachsene in Thüringen leiden an psychische­n Erkrankung­en. Besonders Studenten kämpfen mit Depression­en und Panikattac­ken. Verschiede­ne Prävention­sangebote sollen helfen.

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Depression­en: Die Betroffene­n fühlen sich niedergesc­hlagen und freudlos. Foto: Jens Kalaene, dpa

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