Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Bayern first, aber Thüringen ist förster

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Alle glotzen nur noch Fußball. Während die Antarktis, die sich nicht für die WM-Endrunde qualifizie­ren konnte, pro Jahr 219 Milliarden Tonnen Eis verliert. Wahnsinn, oder? Und außerdem, sagen Wissenscha­ftler, verlaufe der Schmelzpro­zess immer schneller.

Nun kann sich kein Mensch vorstellen, wie 219 Milliarden Tonnen Eis auf einem Haufen aussehen. Deswegen wird die nächste Zahl präsentier­t. Das schmelzend­e Antarktis-Eis habe den weltweiten Meeresspie­gel in nur 25 Jahren bereits um 7,6 Millimeter steigen lassen.

Ist Ihnen das bei Ihrem jüngsten Ostsee-Urlaub nicht aufgefalle­n? Nein? Dann schieben wir hier mal die ultimative Killerzahl nach: Würde nämlich sämtliches Eis der Antarktis verschwind­en, dann hätte das einen Anstieg des globalen Meeresspie­gels um 58 Meter zur Folge. So, jetzt ist‘s raus. Der Klimawande­l wird die Menschheit entweder ausdörren, oder er wird sie ersäufen. Vermutlich beides gleichzeit­ig.

Das sagen die 84 Wissenscha­ftler von 44 internatio­nalen Organisati­onen, denen wir die jüngsten Hiobsbotsc­haften von der Antarktis verdanken, zwar nicht so drastisch. Aber immerhin, sie wenden sich mahnend zum Schutze von Küstenstäd­ten und -gemeinen an „Regierunge­n, denen wir vertrauen“. Wie bitte? So etwas gibt‘s noch?

Gut vorstellba­r ist, dass die Linkegefüh­rte Regierung Thüringens den vorgenannt­en Zahlen vertraut. Absolut! Denn nur, wer sich die Mühe macht und den Antarktis-Bericht bis zum Ende liest, der erfährt von Mitautor Veit Helm aus Bremerhave­n, dass die statistisc­he Unsicherhe­it bei der Berechnung so riesiger Eismassen „groß ist“. Selbst kleine Messfehler könnten dabei große Auswirkung­en haben. Außerdem seien die jährlichen Schwankung­en bei den Schneemeng­en „enorm“.

Na und? Fast vier von fünf Thüringern finden die Nutzung von Windkraft wichtig, um aus Atomkraft und Kohle auszusteig­en und die Erderwärmu­ng aufzuhalte­n. Sagt Forsa, ein durchaus namhaftes Meinungsfo­rschungsin­stitut. Dass es eine Umfrage in Thüringen im Auftrag des Energiekon­zerns EnBW gemacht hat, der weiter in Windräder investiere­n will, ist keineswegs Beweis für ein Gefälligke­itsergebni­s. Und 1051 Befragte, computerge­stützt ausgewählt nach Alter, Geschlecht und regional gut verteilt, die sind durchaus repräsenta­tiv. Das weiß jeder Statistike­r. Da gibt‘s nichts dran zu deuteln.

Aber die Umfrage hat andere Schwächen. Unter Wahlforsch­ern ist unbestritt­en: Wer thematisch in die Tiefe gehen will und auch nach Motiven und Überzeugun­gen forscht, der macht das besser nicht am Telefon. Sondern schickt auf die gute alte analoge Art Interviewe­r zu den Leuten. Gut geschulte, die auf Nachfragen der Interviewt­en erläuternd antworten können und erst dann die Antwort aufnehmen. Aber das ist ein sehr teures Verfahren. Es wird deshalb immer seltener. Außerdem will es ganz genau sowieso keiner mehr wissen. EnBW und die Grünen im Landtag freuen sich sehr über die Forsa-Studie, und nur der Ostthüring­er Stefan Gruhner (CDU) nörgelt herum, Forsa hätte unbedingt erfragen müssen, ob die Leute auch Windräder im Wald „wichtig“finden. Ohne diese Erkundung könne die Umfrage keine Grundlage für energiepol­itische Entscheidu­ngen im Freistaat sein. Die CDU jedenfalls lehne Windenergi­eanlagen in Wäldern weiter ab.

Die Christdemo­kraten mögen auch keine Umfragen zur Flüchtling­spolitik der Kanzlerin und CDU-Vorsitzend­en Angela Merkel. Ihr offener Streit mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) lässt an baldige Neuwahlen denken. Denn Seehofer muss die bajuwarisc­he Landtagswa­hl im Herbst in den Blick nehmen, da kann seine Devise nur lauten: Bayern first! Linke-Regierungs­chef Bodo Ramelow findet, solche Auseinande­rsetzungen seien gar nicht gut und führten nur zu Stillstand in der Sache. Er muss es wissen, denn in seiner eigenen Partei herrscht seit dem denkwürdig­en Leipziger Parteitag ein geradezu dröhnender Stillstand. Sahra Wagenknech­t, einst verschrien als Anführerin der orthodoxen Kommunisti­schen Plattform, gibt heute die Realpoliti­kerin und sagt, offene Grenzen für alle, das sei einfach weltfremd. Dafür bekam sie Buhrufe. Aber auch der Pragmatike­r Ramelow bleibt nicht ungeschore­n. Obwohl er in Leipzig klagte, für ihn sei jede Abschiebun­g eine menschlich­e Niederlage. Aber nun steht auf dem InternetPo­rtal des „Internatio­nalen Komitees der Vierten Internatio­nale“: Der Thüringer Ministerpr­äsident habe sich verteidigt mit der „üblen Ausrede“, er führe lediglich Bundesgese­tze aus.

Unglaublic­h. Der einzige Linke an der Spitze einer Landesregi­erung, und dann hält der Kerl sich an Gesetze. Wirklich übel, sowas.

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