Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Bringt sich Spahn schon in Stellung?
Er rückt im Asylstreit von Merkel ab
Berlin. Je größer der Druck auf die Kanzlerin, desto dringlicher die Frage nach Alternativen zu Angela Merkel, nach Nutznießern eines möglichen Rückzugs. Zwei stehen unter besonderer Beobachtung: Gesundheitsminister Jens Spahn und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Spahn rückte am Donnerstag sichtbar von Merkel ab – dem 38-Jährigen werden seit langem Ambitionen auf die Merkel-Nachfolge nachgesagt.
In der Sondersitzung der CDU-Abgeordneten unterstützte CDU-Politiker Spahn nach Angaben von Teilnehmern die Forderungen der CSU und warb für die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Berlin. Es ist ein Showdown, eine Situation, die an Dramatik kaum zu überbieten ist. Deutschland befindet sich mitten in einer Regierungskrise. Ausgang unbekannt. Der Zwist zwischen CDU und CSU über die richtige Flüchtlingspolitik hat sich zu einem Machtkampf entwickelt, bei dem alles möglich scheint – auch ein Aufkündigen der Fraktionsgemeinschaft der Union aus CDU und CSU. Im Kern streiten CSU und CDU seit Tagen darüber, ob auch Asylbewerber ohne Papiere sowie bereits abgeschobene Bewerber wie von der CSU gefordert nicht mehr über die deutsche Grenze gelangen dürfen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pfiff am Montag ihren Bundesinnenminister Horst Seehofer zurück, der CSU-Chef musste die Vorstellung seines „Masterplans Migration“absagen. Am Dienstag kam es zum Aufstand in der Unionsfraktion gegen Merkel. Viele Abgeordnete unterstützten Seehofers Plan. Am Mittwochabend hatte es ein Krisentreffen zwischen CDU und CSU im Kanzleramt gegeben, ohne Einigung. Am Donnerstag dann sammeln beide Seiten ihre Truppen: Erst berät das CDU-Präsidium – und stellt sich hinter die Kanzlerin. Man unterstütze Merkels Initiative für bilaterale Vereinbarungen mit EU-Partnern.
Um 11.30 Uhr treffen sich die CDU- und CSU-Abgeordneten zu getrennten Sondersitzungen. Seehofer droht der Kanzlerin mit einem Alleingang. Sollte es keine Einigung über die Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze geben, will Seehofer notfalls per Ministerentscheid handeln – also die Zurückweisungen von Flüchtlingen kraft seines Amtes anordnen – ohne Zustimmung Merkels. Wohl wissend, dass sie es kategorisch ablehnt. Schon am Montag will sich Seehofer dafür den Auftrag des CSU-Parteivorstands holen. Was danach passiert, ist unklar. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kommt als einer der Ersten mit ernster Miene und verschränkten Armen am Donnerstag, um kurz nach elf Uhr, auf die Fraktionsebene. „Wir stehen vor einer historischen Situation“, sagt er mit Blick auf die getrennten Sitzungen der Unions-Fraktion. Der CSU gehe es um die „Neuordnung des Asylsystems“. Die Entscheidungen dazu müssten „jetzt fallen“. Es sei nötig, die Flüchtlinge, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert sind, zurückzuweisen.
Im CDU-Teil der Fraktion wirbt die Kanzlerin dagegen um Unterstützung für ihren Plan. Sie bittet die CDU-Abgeordneten um Vertrauen und Zeit bis zum EU-Gipfel am 28. und 29. Juni in Brüssel. Sie wolle bis dahin tief greifende Fortschritte für eine gemeinsame Asylregelung in der EU erreichen. Etwa bilaterale Abkommen mit den Haupt-Ankunftsländern Italien und Griechenland.
Als erster Redner nach Merkel ergreift Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble das Wort. Der 75-Jährige stellt sich hinter den Kurs der Kanzlerin. Für seine Rede gibt es starken Applaus. Der dienstälteste Bundestagsabgeordnete mahnt: Er sei der Einzige, der 1976 erlebt habe, wie der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß in Wildbad Kreuth das Ende der Fraktionsgemeinschaft