Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Gastgeber Russland legt einen perfekten Start hin
Nach dem : über Saudi-Arabien ist schon am Dienstag gegen Ägypten der Einzug ins Achtelfinale möglich
folgte der offizielle Teil der Zeremonie mit Superstar Robbie Williams und dessen Song „Let Me Entertain You“. Nach einer Viertelstunde waren es Fifa-Präsident Gianni Infantino und Russlands Präsident Wladimir Putin, die mit gewichtigen Worten die Weltbühne betraten. Putins erster Erfolg: Anders als Brasiliens Ex-Präsidentin Dilma Rousseff, die 2014 vor dem Eröffnungsspiel der Selecao gegen Kroatien (3:1) vom Publikum ausgepfiffen wurde, empfingen die russischen Zuschauer Papa Putin ehrfürchtig lauschend und applaudierend. Einen Tick lauter wurde es, als der argentinische Schiedsrichter Nestor Pitana um Punkt 18 Uhr Ortszeit das ziemlich bunte Vorgeplänkel beendete – und mit dem ersten Anpfiff dieser Weltmeisterschaft zum wesentlichen kam: Fußball.
Und anders als von vielen (insbesondere den meisten Russen) erwartet, präsentierte sich die Sbornaja in einer Form, die keinesfalls ein peinliches GruppenAus trotz übersichtlicher Stärke der Gegner befürchten lassen muss. „Zu alt und unerfahren – warum Russland zum Scheitern verurteilt ist“, hatte die Moscow Times am Eröffnungstag getitelt – und wurde bereits nach zwölf Spielminuten von Juri Gazinski eines Besseren belehrt.
Ähnlich einsam wie einst der Kosmonaut Juri Gagarin im All hob der Mittelfeldmann im saudischen Strafraum ab, blieb scheinbar schwerelos in der Luft stehen und köpfte zur Führung ein. 1:0 nach nicht einmal einer Viertelstunde – viel besser hätte dieser WM-Auftakt für den zuletzt so stark kritisierten Gastgeber nicht laufen können.
Unterbrochen wurde die von Putin so erhoffte Jubel-TrubelHeiterkeit-Stimmung nur kurz, als Mitte der ersten Halbzeit Offensiv-Allrounder Alan Dschagojew plötzlich wie vom Blitz getroffen zu Boden sackte. Der verdammte Oberschenkel, dieser verdammte. „Er hat eine Oberschenkelverletzung. Im schlimmsten Fall droht ihm das WM-Aus“, diagnostizierte Trainer Tschertschessow später.
Es war bereits kurz vor dem Halbzeitpfiff, als der eingewechselte Spanien-Legionär Denis Tscheryschew vom FC Villarreal die Saudi-Abwehr zur Verzweiflung trieb – und den Ball traumhaft oben links unter die Latte zum 2:0 drosch (43.).
Die Saudis, die die körperlich kleinste Mannschaft des Turniers stellen (Durchschnittsgröße: 1,77 Meter), werden spätestens im zweiten Gruppenspiel gegen Uruguay am Mittwoch über sich hinauswachsen müssen, wollen sie nicht direkt nach der Gruppenphase die Heimreise antreten.
Und Russland? Legte im zweiten Durchgang nach: durch den eingewechselten Artem Dschuiba, durch 2:0-Schütze Tscheryschew sowie durch Alexander Golowin. Nach dem 5:0-Sieg ist möglicherweise bereits am Dienstag (20 Uhr/ZDF) gegen Ägypten der vorzeitige Einzug ins Achtelfinale drin.
Ehrlich gesagt: Mit solch einem mitreißenden Spiel habe ich nicht gerechnet. Das macht Lust auf mehr. Ohnehin sind Weltund auch Europameisterschaften für mich immer Highlights. Und ich versuche, so viele Spiele wie möglich zu gucken. Mal zu Hause in aller Ruhe, aber gern auch mit Freunden in größerer Runde.
Mich interessieren dabei auch die Mannschaften, die man sonst nicht so oft sieht: Nigeria etwa oder den Iran; selbst auf Panama bin ich gespannt. Trotz der klaren Niederlage von Saudi-Arabien zum Auftakt: Richtig schwache Nationen gibt es nicht mehr. Gegenüber 2002, als wir sie noch mit 8:0 geschlagen hatten, haben sich auch die Saudis verbessert.
Ich erwarte deshalb ein ausgeglichenes Turnier, in dem sich einige Favoriten schwer tun und sogar stolpern werden. Kolumbien zum Beispiel oder Uruguay; auch Mexiko und die Kroaten sind Teams, die für Überraschungen gut sind. Auch die Engländer machen unter ihrem neuen Trainer Southgate einen prima Eindruck.
Ins Halbfinale werden jedoch wieder die üblichen Verdächtigen kommen: Spanien, Frankreich, Argentinien und die Brasilianer, die stärker sind als vor vier Jahren, gehören zu den Favoriten. Und natürlich die deutsche Mannschaft. Dass in der Vorbereitung nicht alles optimal lief, braucht uns keine Sorgen zu machen. Nach einer langen Saison ist man immer etwas müde; die Spritzigkeit muss man sich erst wieder erarbeiten. Und für Österreich oder Saudi-Arabien – unsere letzten Testgegner – ist ein Duell mit dem Weltmeister nun mal das „Spiel des Jahres“.
Wenn es ernst wird, können wir uns auf das Team verlassen. Da bin ich mir sicher. Die Qualität ist groß. Ob es wie 2014 zum Titel reichen wird, hängt auch von Kleinigkeiten und Glück ab. Da muss wirklich alles passen.
Erstes Tor nach zwölf Minuten