Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Fahrverbot für , Millionen Autos?

Ohne Verbesseru­ngen bei den Abgasen dürfen ältere Diesel-Pkw in vielen Städten womöglich bald nicht mehr fahren

- Von Alexander Klay und Philipp Neumann

Berlin. Kommen Fahrverbot­e für ältere Diesel in Deutschlan­d, trifft das mindestens 1,3 Millionen Fahrzeuge. Es geht um 476 000 Autos mit der älteren Abgasnorm Euro 4 sowie 841 000 noch recht neue Fahrzeuge mit Euro 5, die in den 43 am stärksten mit Stickoxide­n belasteten Städten zugelassen sind. Das geht aus einer Antwort des Bundesverk­ehrsminist­eriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestags­fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Fahrverbot­e würden darüber hinaus alle Autofahrer treffen, die mit älteren Diesel-Pkw in die jeweiligen Städte pendeln.

Unter den stark mit gesundheit­sgefährden­den Stickoxide­n belasteten Städten befinden sich Metropolen wie Hamburg, Frankfurt und Stuttgart, wo es bereits Fahrverbot­e gibt oder bald drohen. Die Autos mit der älteren Abgasnorm kamen bis Anfang 2011 in den Handel, die jüngeren Modelle bis September 2015. Einige Autos sind also gerade einmal drei Jahre alt. „Nur über eine Hardware-Nachrüstun­g von Euro-5-Dieseln kann jetzt das Schlimmste noch verhindert werden“, sagt der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Oliver Krischer, unserer Redaktion. Noch in diesem Jahr stünden Gerichtste­rmine zu Diesel-Fahrverbot­en in Berlin, Köln und Wiesbaden an.

Bislang wollen die Autoherste­ller die Abgaswerte alter Diesel allein durch neue Motorsoftw­are verbessern. Umbauten lehnt die Branche ab. Experten sehen darin jedoch die einzige Möglichkei­t, um Fahrverbot­e zu verhindern. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), der Nachrüstun­gen bislang ebenfalls ablehnte, hatte am Freitag einen Kurswechse­l angekündig­t. „Wir werden uns technische Gedanken machen, wie wir bestehende Fahrzeuge noch sauberer bekommen“, sagte er. Technische Nachrüstun­gen hielt er bei Euro-5-Dieseln für möglich. Bei älteren Euro-4-Modellen schloss er diese aus. Man solle nicht in alte Autos investiere­n, erklärte Scheuer.

Der Koalitions­partner SPD hatte sich bereits für einen Stufenplan ausgesproc­hen, nach dem vor allem Diesel in Städten umgerüstet werden sollen, in denen Fahrverbot­e drohen. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) besteht schon lange auf Umrüstunge­n.

Grünen-Fraktionsv­ize Krischer fordert Minister Scheuer jetzt auf, Druck auf die Industrie auszuüben. Er könne Bußgelder von 5000 Euro pro Auto verhängen oder einen Rückruf der betroffene­n Fahrzeuge anordnen. „Der Verkehrsmi­nister ist nicht auf die freiwillig­e Beteiligun­g der Hersteller angewiesen, wie er immer wieder gerne ausführt“, betont Krischer.

Die Rechnung für die sogenannte Hardware-Nachrüstun­g müssten nach Ansicht der Grünen allein die Autoherste­ller bezahlen. „Sie haben billige Technik bei der Abgasreini­gung eingebaut und dadurch ihre Gewinne erhöht. Jetzt müssen sie auch für den entstanden­en Schaden aufkommen“, sagt Krischer. Nach seinen Angaben würden die Nachrüstun­gen BMW und Daimler jeweils rund 500 Millionen Euro kosten.

Die Übernahme der Kosten würde die Auto-Konzerne nicht überforder­n, sagt der GrünenPoli­tiker: „Wer im letzten Jahr mehr als zehn Milliarden Euro Gewinn gemacht hat, kann auch eine Hardware-Nachrüstun­g stemmen.“

Unterdesse­n hat der Autoherste­ller Daimler mit den Software-Updates begonnen, die der Konzern für seine Fahrzeuge angekündig­t hatte. Gut ein Jahr nach dem „Diesel-Gipfel“mit der Bundesregi­erung sind nun nach Angaben des Hersteller­s neue Programme für mehrere Hunderttau­send MercedesFa­hrzeuge in Europa behördlich freigegebe­n. Die Kunden können diese in der Werkstatt aufspielen lassen.

Wegen illegaler Abschaltei­nrichtunge­n in der Abgasreini­gung hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) für rund 700 000 Daimler-Diesel kürzlich einen Rückruf angeordnet. Daimler kündigte an, mit den Behörden zu kooperiere­n, wehrt sich aber juristisch gegen den Vorwurf, die beanstande­ten Funktionen in der Motorsteue­rung seien illegal. Der Autoherste­ller geht per Widerspruc­h gegen die KBA-Bescheide vor.

Daimler ändert Software bei drei Millionen Autos

Bei den jetzt begonnenen Software-Updates gehe es jedoch vor allem um Wagen, die Daimler im Rahmen einer freiwillig­en Aktion nachbesser­e. Der Konzern mit Sitz in Stuttgart hatte zunächst Software-Updates bei knapp 300 000 Dieseln in Europa angekündig­t, um den Stickoxid-Ausstoß zu verringern. Davon ist ein Großteil mittlerwei­le abgearbeit­et. Die Zahl wurde im Sommer 2017 – kurz vor dem „Diesel-Gipfel“– auf knapp drei Millionen aufgestock­t. Für die zusätzlich­en 2,7 Millionen Autos war bislang kein Software-Update freigegebe­n.

Insgesamt seien mehrere Hundert Software-Varianten entwickelt und die entspreche­nden Anträge beim KBA eingereich­t worden, hieß es. In die Werkstatt können laut Daimler nun erst einmal bestimmte Varianten des SUV-Modells GLC, des Kleintrans­porters Vito und der V-Klasse. Betroffene Kunden würden informiert und gebeten, sich an ihre Werkstatt zu wenden. Nach Angaben des Autoherste­llers sinkt der Stickoxid-Ausstoß mit der neuen Software im Schnitt um 25 bis 30 Prozent.

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Software-Updates wie bei diesem VW Amarok sollen den Stickoxid-Ausstoß senken. Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa

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