Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Kaum barrierefreie Übertragungen aus dem Bundestag
Gehörlose können nur einen Bruchteil dessen verfolgen, was im Parlament passiert
Wer nicht oder nicht ausreichend gut hört, um zu verstehen, was gesagt wird, bleibt oft außen vor. Weniger als zehn Prozent der Debatten werden von Gebärdendolmetschern begleitet oder live untertitelt. Das ergab jetzt eine interne Auswertung der Bundestagsverwaltung, die dieser Redaktion vorliegt.
Generell werden alle Redebeiträge im Plenum live im Internet gestreamt. Aber gerade einmal vier Stunden Debatte werden planmäßig pro Sitzungswoche barrierefrei übertragen – die in der sogenannten Kernzeit, Donnerstag, von 9 bis 13 Uhr. Dazu kommen Sonderveranstaltungen, meist mit Bezug zu behindertenpolitischen Themen, die gelegentlich von Gebärdendolmetschern übersetzt oder untertitelt werden.
Viel zu wenig, findet Matthias Bartke von der SPD. Wenn es nach dem Hamburger Abgeordneten geht, der Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales ist, sollen künftig alle Übertragungen der Debatten auf der Website des Parlaments auch für hörgeschädigte und gehörlose Menschen zugänglich sein. „Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch, nachzuvollziehen, was in ihrem Parlament gesprochen wird“, sagte Bartke unserer Redaktion. „Das ist eine Frage der demokratischen Mitbestimmung.“Bartke fordert deshalb, dass alle Streams des Bundestags barrierefrei werden müssen. Rund 1,5 Millionen Euro jährlich würde es kosten, alle Plenardebatten, öffentlichen Ausschusssitzungen und Sonderveranstaltungen live von jemandem in Gebärdensprache übersetzen zu lassen oder zu untertiteln. SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs zeigte sich offen für die Idee: Bartke habe ihn „in der Sache voll überzeugt“. Jetzt müsse man sehen, was machbar sei. (tma)