Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Ein Panoptikum aus dem Bürodschun­gel

„Bandscheib­envorfall“entlarvt Bosheiten der Arbeitswel­t

- Von Karsten Schaarschm­idt

Greiz. Willkommen im Bürodschun­gel. Aber Vorsicht, überall lauert Gefahr. Nicht nur hinter der Tür zum Chef. Doch zu dem werden die Protagonis­ten von Ingrid Lausunds bitterböse-humorvolle­n Stück „Bandscheib­envorfall“immer wieder mittels lautstarke­m Sirenenton zitiert. Und vom Chef kommt man schon mal mit einem Messer im Rücken oder anders derangiert zurück. Trotzdem: „Es war ein gutes Gespräch.“Und dann die lieben Kollegen – intrigant, verlogen und ohne Rückgrat. Kurz: Im Bürodschun­gel tobt der Kampf um den Kugelschre­iber und ums Überleben. Die von der Berliner Regisseuri­n Anika Pinter geleitete Schauspiel­werkstatt hatte am Freitag beim 27. Greizer Theaterher­bst mit ihrer Version der Groteske Premiere. Den Bahnhof verwandelt­en die Akteure Stephanie Albert, Maren Barnikow, Franziska Leis, Nathalie Milke, Volker Schmidt und Sybille Sturm – allesamt Amateure – in ein Großraumbü­ro der Skurrilitä­ten und des Absurden. Und als ginge es um Lohnerhöhu­ng, Urlaubs- und Weihnachts­geld zusammen, spielten sie sich die Seele aus dem Leib, wurden eins mit ihren Figuren und deren Verhaltens­auffälligk­eiten. Mit großartige­r Spielfreud­e, mit kleinem, aber aussagekrä­ftigem Bühnenbild, vor allem aber mit perfekt sitzenden Pointen entlarvt die Inszenieru­ng den Alltag in der Arbeitswel­t, in der Stiefellec­ker auf Gutmensche­n und Karrierist­en auf Katzbuckle­r treffen. Und spätestens wenn die Spieler sich Tiermasken (Büromäusch­en, Schreibtis­chhäschen, Paradiesvo­gel etc.) überstülpe­n und, getaucht in rotes Licht, sich gegenseiti­g an den Kragen gehen, fällt die Fassade. Das Publikum der ausverkauf­ten Premiere jedenfalls hatte einen Heidenspaß, auch wenn oder gerade weil manch einem wahrschein­lich oftmals das Lachen im Halse stecken zu bleiben drohte, scheint doch die eine oder andere Szene aus dem realen, selbst erfahrenen (Arbeits-)Leben gegriffen. Lob verdienen die Mitwirkend­en und Regisseuri­n Anika Pinter gleicherma­ßen für ihr wunderbar gespieltes und inszeniert­es Panoptikum aus dem Bürodschun­gel, das, so der Untertitel des Stücks, ein herrlich offenbaren­der „Abend für Leute mit Haltungssc­häden“war.

 ??  ?? Katzbuckel­n und intrigiere­n: Mit der Inszenieru­ng von Ingrid Lausunds Stück „Bandscheib­envorfall“gelang der von Anika Pinter geleiteten Schauspiel­werkstatt des Greizer Theaterher­bstes ein wunderbar skurriles wie witziges Abbild der Arbeitswel­t. Foto: Karsten Schaarschm­idt
Katzbuckel­n und intrigiere­n: Mit der Inszenieru­ng von Ingrid Lausunds Stück „Bandscheib­envorfall“gelang der von Anika Pinter geleiteten Schauspiel­werkstatt des Greizer Theaterher­bstes ein wunderbar skurriles wie witziges Abbild der Arbeitswel­t. Foto: Karsten Schaarschm­idt

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