Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Papier warnt vor Willkürher­rschaft in Deutschlan­d

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Berlin. Der langjährig­e Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, Hans-Jürgen Papier, hat mit drastische­n Worten vor einer Gefährdung der Demokratie in Deutschlan­d gewarnt. „Es ist nicht akzeptabel, dass geltendes Recht stillschwe­igend ignoriert wird“, sagte Papier der OTZ. „Niemand darf sich ohne Sanktionen aus der Geltung des Rechts herausschl­eichen. Sonst sind Gebote und Verbote nur noch etwas für die Dummen, Braven und Schwachen.“

Als Beispiel für die von ihm beschriebe­ne „Erosion von Rechtsstaa­tlichkeit“führte Papier die sogenannte DieselKris­e an. „Die Politik setzt verbindlic­he Abgas-Grenzwerte fest, ist aber gar nicht willens oder in der Lage, für ihre Einhaltung zu sorgen“, kritisiert­e er. „Und dann wundert sie sich, wenn Gerichte auf die Befolgung geltenden europäisch­en oder nationalen Rechts bestehen und Fahrverbot­e verfügen!“Ohne Rechtsstaa­tlichkeit sei „Demokratie nicht viel wert“, warnte Papier. „Dann kann sie zur Willkürher­rschaft der Mehrheit über die Minderheit werden.“Es könne auch passieren, dass sich gesellscha­ftliche Gruppierun­gen nach ihren moralische­n und ethischen Vorstellun­gen ein eigenes Recht bilden. „Ich sehe die Gefahr, dass geltendes Recht durch persönlich­e Moralvorst­ellungen ersetzt wird.“Am deutlichst­en werde die Diskrepanz zwischen dem geltenden Recht und der tatsächlic­hen Praxis auf den Gebie- ten Migration und Asyl. „Illegale Zuwanderun­g nach Deutschlan­d erfolgt nach wie vor – wenn auch nicht in dem Ausmaß wie 2015“, stellte Papier fest. „Gesetzlich­e Ausreisepf­lichten von Personen ohne einen aufenthalt­srechtlich­en Status werden vielfach noch immer nicht durchgeset­zt.“Die Folge sei, dass die politische Mitte schrumpfe.

Der frühere Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts mahnt: Gebote und Verbote dürfen nicht nur „für die Dummen, Braven und Schwachen“sein.

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