Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Tausendmal mehr sehen als mit bloßem Auge
Das Observatorium Tautenburg lädt heute zur „Langen Nacht der Sterne“– Astronom Eike Günther verrät, was geboten wird
Tautenburg. Öffentliche Führungen bietet die Landessternwarte in Tautenburg regelmäßig an. Doch am heutigen Sonnabend kann man dort eine ganze „Lange Nacht der Sterne“erleben. Was diese den Interessierten bietet, verrät der Astronom Eike Günther im Gespräch.
Warum sollte ich am Sonnabend zu Ihnen ins Observatorium, mitten im dunklen Tautenburger Forst gelegen, kommen?
Weil wir am Wochenende perfektes Wetter für astronomische Beobachtungen haben und Sie bei uns in der Landessternwarte beim Blick in den Himmel Erstaunliches sehen werden – das man so vom Balkon oder der Straße aus in Jena nie sehen kann. Nicht ohne Grund steht unsere Sternwarte ja mitten im Wald, abseits größerer Siedlungen, in deren Umfeld es nachts durch die Beleuchtung viel zu hell für Himmelsbeobachtungen ist.
Was bietet denn der Himmel in diesen Herbstnächten?
Jede Menge interessante Objekte und Erscheinungen. Der Mond wird nur am frühen Abend scheinen, nach 21 Uhr verschwindet er, dann kann man schon mit bloßem Auge etwa die Milchstraße bestaunen. Und da wir über die entsprechende Technik verfügen, können unsere Besucher noch viel mehr entdecken. Zum Beispiel Galaxien, die Millionen Lichtjahre entfernt von uns sind, oder Sternenhaufen mit Millionen Sternen. Oder Regionen, in denen gerade Sterne entstehen.
Sie zeigen den Gästen Bilder, die Sie im Rahmen Ihrer Forschungsarbeiten von Himmelserscheinungen gemachthaben?
Nein, unsere Gäste dürfen mit unserem Zwei-Meter-SpiegelTeleskop Himmelsbeobachtungen machen. Es gibt übrigens in Deutschland nur noch ein weiteres Teleskop dieser Größe, es steht auf dem Wendelstein in Bayern. Doch dieses ist eher für die wissenschaftliche Arbeit reserviert. Bei uns sind die Besucher dabei, wenn mit dem großen Teleskop Live-Bilder von aufregenden Himmelsobjekten aufgenommen und dann auf einer Großleinwand gezeigt werden. Daneben haben wir noch mehrere kleinere Teleskope aufgestellt. Wer zum Beispiel die Milchstraße mit bloßem Auge betrachtet, wird staunen, was er alles durch ein Teleskop sieht.
Wie viel mehr kann man mit Ihrer Technik entdecken?
So einiges. Die kleinen Teleskope haben eine Öffnung von 20 Zentimentern, das große eine fast zehnmal so große. Und es kann hundertmal so viel Licht bündeln. Da beim SchmidtTeleskop zudem eine CCD-Kamera die Beobachtung aufzeichnet, die auf minus 115 Grad Celsius gekühlt wird, um besonders empfindlich zu sein, ist der Effekt erheblich. Man kann sagen, dass man mit diesem Teleskop tausendmal mehr sieht als mit dem Auge.
Welche Entdeckungen kann man in der Langen Nacht der Sterne noch machen?
An diesem Abend beobachten wir den Himmel natürlich auch mit unserem Lofar-Radioteleskop. Zu diesem gehören große Antennenfelder, welche die elektromagnetische Strahlung aus allen Himmelsrichtungen des Alls gleichzeitig aufnehmen. Wir werden zum Beispiel die Milchstraße beobachten – und die Gäste werden staunen, wie anders als die im sichtbaren Licht aufgenommenen Bilder die Radio-Bilder der Milchstraße aussehen. Schließlich läuft bei uns noch ein Planetariumsprogramm, bei dem man jede Menge über Sternbilder lernt. Draußen vor der Tür kann man dann gleich überprüfen, ob man den Großen Bären, Fuhrmann oder Schwan am Himmel entdeckt.
Und wer genug gesehen hat? Der bekommt auch noch allerhand zu hören. Unsere Mitarbeiter werden in mehreren 45-Minuten-Vorträgen über ihre Forschungsarbeit und Himmelsphänomene berichten, etwa davon, wie Sterne entstehen, was uns ihr Pulsieren verrät, und was passiert, wenn sie letztlich explodieren. Neben meinen Kollegen Bringfried Stecklum, Holger Lehmann, Sylvio Klose und Matthias Hoeft gehört auch Florian Freistetter zu den Referenten. Er hat als Postdok am Astrophysikalischen Institut der Jenaer Universität gearbeitet und gelehrt und macht heute als Autor, Wissenschafts-Blogger und Mitglied der „Science Busters“von sich reden. Er wird unseren Besuchern am Samstagabend erklären, wie viel Astronomie in einem Glas Bier steckt.
Wann erwarten Sie Sternengucker und Wissbegierigen? Unsere Türen sind von 17 bis 24 Uhr geöffnet. Die Vorträge beginnen ab 17.30 Uhr. Die beste Beobachtungszeit ist ab 19.30 Uhr, wenn die Sonne weit genug unter den Horizont gesunken ist und nach 21 Uhr, wenn der Mond untergegangen ist. Erfahrungsgemäß nimmt der Andrang am späteren Abend etwas ab. Vor zwei Jahren hatten wir rund 400 Besucher – und damals war schlechtes Wetter. Auch wenn die Wettervorhersagen diesmal ausgesprochen gut sind, und wir Kaffee und Tee zum Aufwärmen anbieten, empfehlen wir den Besuchern, sich warm anzuziehen. Beachten müssen unsere Gäste auch, dass die Zufahrt nach Tautenburg in Dorndorf-Steudnitz gesperrt ist. Man muss die ausgeschilderte Umleitung über Rodameuschel, Frauenprießnitz und Wetzdorf benutzen, was die Anfahrt mit dem Auto um etwa 15 Minuten verlängert.