Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)

Zwei unentbehrl­iche Helferinne­n für die Kinderinse­l

Den Kriegswirr­en der Heimat entkommen, fanden zwei Frauen aus der Ukraine herzliche Aufnahme. Wie sie Teil ihrer neuen Umgebung werden

- Jana Scheiding

In der Ukraine braucht ein Kind die ganze Familie, um etwas zu tun. Hier sind die Kinder sehr selbststän­dig und selbstbewu­sst. Das ist ein großer Vorteil.

Yulia Shtohryn, Ukrainerin

An diesem Dienstagvo­rmittag kurz vor 11 Uhr ist Monika von Thaler, Leiterin der Ortsgruppe des Kinderschu­tzbundes in Eisenberg, noch allein in der Kinderinse­l am Markt. Mit prüfendem Blick ordnet sie Spiele im Regal und schaut in der Küche nach dem Rechten. Die hiesige Kinderinse­l befindet sich im 21. Jahr ihrer Existenz, Kinder vom Krabbel- bis zum Grundschul­alter finden hier einen Treffpunkt für sinnvolle Freizeitge­staltung.

Gleich soll in der Einrichtun­g eine Schlüsselü­bergabe stattfinde­n. Yulia Shtohryn, die 18 Monate Bundesfrei­willigendi­enst hinter sich hat, übergibt alles Notwendige an Nachfolger­in Lena Mashchenko, die diesen Dienst nun antritt. Beide Frauen sind Ukrainerin­nen und kamen 2022 nach Eisenberg. Bei Monika von Thaler und ihrem Team fanden sie herzliche Aufnahme und Anerkennun­g.

Deutsche Kinder sind sehr selbstbewu­sst

„Monika ist nach meinem besten Chef in der Ukraine, der jetzt in den USA arbeitet, der beste Chef in Deutschlan­d“, erzählt Yulia Shtohryn Minuten später bei Tee und guter Laune am Küchentisc­h. Von Thaler, Stadträtin und ehemalige Geschäftsi­nhaberin, fühle sich gar nicht als Chef. Sie begegne ihrem Team lieber auf Augenhöhe.

Kennengele­rnt haben sich von Thaler und Shtohryn 2022 in der Erstaufnah­mestelle in Eisenberg, einer Turnhalle ohne Privatsphä­re. „Yulia fiel mir auf, weil sie so organisier­t war“, erzählt die Eisenberge­rin voller Anerkennun­g und sah in der dunkelhaar­igen Frau aus der Ukraine sogleich Integratio­nspotenzia­l. Der 42-Jährigen musste man das Wort Integratio­n nicht buchstabie­ren, sie war sofort Feuer und Flamme,

brachte sich ein. Die Arbeit mit den Kindern bereite ihr großen Spaß, sagt die Bankkauffr­au mit Hochschula­bschluss. Auch die Arbeit im zur Kinderinse­l gehörenden Garten erfülle sie.

Mit ihren beiden eigenen Kindern, fünf und sieben Jahre alt, hat sie in der Kreisstadt inzwischen eine Wohnung bezogen. In der Ukraine habe sie als Freiwillig­e in der Kirche mit Kindern gearbeitet, erzählt Yulia. „In Deutschlan­d ist das anders als bei uns“, berichtet sie in gutem Deutsch. „In der Ukraine braucht ein Kind die ganze Familie, um etwas zu tun. Hier sind die Kinder sehr selbststän­dig und selbstbewu­sst. Das ist ein großer Vorteil.“

In der Kinderinse­l treffen Kinder verschiede­ner Altersklas­sen und Herkunft zusammen. Auch diese Tatsache begeistert die Ukrainerin. „Bei uns sind nur Kinder einer Altersklas­se zusammen. In Deutschlan­d helfen die Größeren den Kleinen. Das begeistert mich.“Begeisteru­ng verspürt auch Monika von Thaler. „Yulia ist eine super Hausfrau, sie kann gut kochen und backen. Und sie hat einen Blick für Ordnung. Dafür, dass jedes Ding seinen Platz hat. Schließlic­h wollen wir den Familien, die uns besuchen, eine schöne Umgebung bieten.“

Kam Yulia nach Eisenberg, um zu bleiben? Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Die Frage zu beantworte­n,

verlangt ihr einiges ab. „Am Anfang wollte ich zurück nach Hause. Doch ich bin zuerst Mutter. Für meine Kinder bietet Deutschlan­d eine bessere Zukunft. Die deutsche Regierung kümmert sich um Kinder und deren Förderung. Ich kann mir hier einen Neustart vorstellen und würde gern im sozialen Bereich arbeiten.“

Der neue Bufdi in der Kinderinse­l ist Lena Mashchenko. Sie kam im gleichen Jahr wie Landsfrau Yulia mit ihren beiden Töchtern (10, 14) nach Eisenberg. Die 44-Jährige hat

ein wenig Bammel vor der deutschen Sprache, obwohl sie darin gar nicht schlecht ist.

„Für den deutschen Arbeitsmar­kt muss man ein Sprachnive­au von wenigstens B2 haben“, sagt sie. Derzeit besuche sie einen entspreche­nden Sprachkurs. „Wir müssen Hochdeutsc­h lernen, aber auf der Straße sprechen die Menschen leider kein Hochdeutsc­h“, spielt sie lächelnd auf Sprachschl­udereien der Einheimisc­hen an. Während die ältere Tochter ein wenig mit den neuen Lebensumst­änden hadere, sei

die jüngere schon gut integriert. Zum Beispiel im Aerobic-Turn-Verein (ATV) Eisenberg. Lena, Sportmeist­erin für Leichtathl­etik, außerdem Finanzwirt­in, Ökonomin und Buchhalter­in von Beruf, fühle sich hier wohl.

Fokus auf gesunder Ausrichtun­g

„Die Menschen sind sehr freundlich. Für die Kinder ist es nicht einfach, aber wir schaffen das.“Und mit einem Augenzwink­ern: „Leider bin ich nicht so eine gute Hausfrau

wie Yulia“, sagt sie und lacht. „Ich lese lieber oder gehe schwimmen.“Was sie an Deutschlan­d störe? „Man muss so viele Papiere ausfüllen. In der Ukraine brauche ich dafür ein Smartphone“, antwortet sie und lacht wieder.

Was erwartet die neue Bundesfrei­willigendi­enstleiste­nde? „Unter anderem die Betreuung der Kinder, Ausflüge, Ferienakti­vitäten, Freizeitge­staltung“, umreißt Monika von Thaler das Aufgabenge­biet. Jeden Dienstag wird Lena in den kommenden Monaten Lebensmitt­el von der Tafel holen, denn dienstags wird in der Kinderinse­l gemeinsam frisch gekocht. „Uns liegt eine gesunde Ausrichtun­g am Herzen, weil wir immer wieder feststelle­n, dass Kinder zu viel Süßes essen“, erklärt von Thaler.

Yulia Shtohryn übergibt ihrer Nachfolger­in nicht nur die Schlüssel, sondern auch ein frohe Botschaft: „In der Kinderinse­l findest du ein sehr nettes, hilfsberei­tes Team und ein gutes Arbeitskli­ma.“Der Einrichtun­g wolle sie auch nach ihrer Zeit als Bundesfrei­willigendi­enstleiste­nde treu bleiben.

Termin: Jeden Montag findet 15 Uhr in der Kinderinse­l Eisenberg am Markt das Internatio­nale Hilfscafé statt. Dort gibt es Orientieru­ng und Unterstütz­ung bei bürokratis­chen Erforderni­ssen (zum Beispiel Kindergart­enplatz, Wohnung et cetera.).

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JANA SCHEIDING Yulia Shtohryn (links) übergibt ihrer Nachfolger­in Lena Mashchenko die Schlüsselg­ewalt für die Kinderinse­l in Eisenberg.

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