Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)
Mehr rechtsextreme Einstellungen
Langzeitstudie: Deutlich mehr als die Hälfte der Thüringer halten Deutschland für überfremdet
Die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen ist im Freistaat im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen. Sie lagen im vergangenen Jahr bei 19 Prozent. 2022 wurden zwölf, 2021 elf Prozent gemessen. Das geht aus dem Thüringen-Monitor 2023 hervor. Die von der Staatskanzlei in Auftrag gegebene Untersuchung zur politischen Kultur wird heute offiziell präsentiert und liegt dieser Zeitung bereits vor. Die Langzeitstudie wird jedes Jahr von Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena erarbeitet.
„Der Anteil an rechtsextremen Einstellungen schließt damit im Jahr 2023 wieder an den langjährigen Durchschnittswert an, um den er seit Ende der 2000er-Jahre schwankt, aber keinen langfristigen Anstieg oder Rückgang mehr erkennen lässt. Damit ist der während der Corona-Pandemie erkennbare
Rückgang nunmehr endgültig als zeitlich begrenzt zu beurteilen“, schreibt das Forscherteam unter der Leitung der Politologin Marion Reiser.
Analog zum Rechtsextremismus sind den Angaben zufolge auch die migrantenfeindlichen und antimuslimischen Einstellungen angestiegen. Im aktuellen Monitor äußern demnach mit 59 Prozent deutlich mehr als die Hälfte der Thüringer, dass „die Bundesrepublik (…) durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet“ist (im Vergleich zu 42 Prozent im Jahr 2021); 50 Prozent stimmen der Aussage zu, dass „die Ausländer (…) nur hierher kommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen.“(2021: 37 Prozent).
Eine Mehrheit der Befragten (53 Prozent) bezweifelt zudem, dass die meisten der in der Bundesrepublik lebenden Muslime die Werte des Grundgesetzes akzeptieren. Dies entspricht einer Zunahme um 14
Prozentpunkte innerhalb der letzten zwei Jahre. Diese Vorbehalte spiegelten sich ebenso in Protesten gegen Flüchtlingsunterkünfte auch in Thüringen wider. „Auch wenn diese menschenfeindlichen Einstellungen bei Menschen mit höherer formeller Bildung, Vertrauen in die staatlichen Institutionen oder einer Selbstverortung links der politischen Mitte weniger häufig verbreitet sind, sind diese Vorbehalte in der gesellschaftlichen Mitte in Thüringen weit verbreitet“, heißt es.
Mit dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der darauffolgenden militärischen Offensive Israels im Gazastreifen, gehe nicht nur ein hoher Anstieg an antisemitischen Straftaten, sondern auch eine gestiegene Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Gesellschaft einher.
Der Thüringen-Monitor basiert auf einer repräsentativen telefonischen Befragung von 1063 wahlberechtigten Thüringerinnen und Thüringern, die vom 11. September bis 25. November 2023 durchgeführt wurde.
Damit ist der während der Corona-Pandemie erkennbare Rückgang rechtsextremer Einstellungen endgültig als zeitlich begrenzt zu beurteilen.
Marion Reiser Professorin, Uni Jena