Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)

Warum das Einwohnerm­eldeamt Hermsdorf so schlecht für Bürger erreichbar ist

Welche Gründe es gibt, warum das Amt derzeit seiner Funktion als Dienstleis­ter nicht gerecht wird

- Ute Flamich

Das Einwohnerm­eldeamt der Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Hermsdorf steht bei Bürgern seit Längerem in der Kritik. Beanstande­t werden unter anderem die schlechte Erreichbar­keit und die langen Wartezeite­n auf einen Termin. Zudem wird kritisiert, dass die Tür, die zum Einwohnerm­eldeamt führt, zu ist. Bürger, die keinen Termin haben, können dadurch nicht auf die Schnelle mit den Mitarbeite­rn sprechen.

Während der Pandemie wurde eingeführt, dass Bürger nur noch per Termin ihre Angelegenh­eiten im Einwohnerm­eldeamt klären und nicht mehr während der Öffnungsze­iten vor Ort erscheinen können. „Auch, wenn es dafür Kritik gibt, fahren wir damit viel besser, einfach, weil es viel planbarer ist. Und diejenigen, die einen Termin haben, freuen sich, dass sie gleich drankommen“, sagt VG-Vorsitzend­e Constance Möbius.

„Ab 1. März 2023 können wir Ihre Anliegen aus organisato­rischen Gründen nur noch nach Terminvere­inbarung bearbeiten“, wird auch auf der Internetse­ite der VG sowie vor Ort informiert. Warum das so ist und warum auch die Verantwort­lichen in der VG mit der aktuellen Situation im Einwohnerm­eldeamt nicht zufrieden sind, darüber sprechen Möbius und Hauptabtei­lungsleite­r Mario Kühne.

Problem 1: Personal

Theoretisc­h, sagt Mario Kühne, seien zum 1. Januar 2023 drei Arbeitsplä­tze im Einwohnerm­eldeamt der VG geschaffen worden. Derzeit sei allerdings mehr oder weniger nur ein Arbeitspla­tz besetzt. Eine Kollegin ist derzeit aus persönlich­en Gründen nicht im Dienst, die andere momentan in der Prüfungsph­ase ihrer Weiterbild­ung und deshalb nicht täglich am Arbeitspla­tz.

Gängige Praxis sei zurzeit, dass eine Kollegin in einer Woche mehr als 100 Termine während der Sprechzeit­en abzuarbeit­en habe. Der Kollegin sei es deshalb auch nicht möglich, während der Termine zusätzlich ans Telefon zu gehen. Aus diesem Grund sei es das Beste, eine E-Mail zu schreiben an meldeamt@vg-hermsdorf.de.

Auf der Internetse­ite der VG gibt es ein Kontaktfor­mular, das allerdings derzeit aus technische­n Gründen

nicht nutzbar sei. „Das soll aber so schnell wie möglich wieder funktionsb­ereit gemacht werden“, sagt Constance Möbius.

„Wir hatten zwischenze­itlich, 2021/2022, mal einen Versuch unternomme­n, das Einwohnerm­eldeamt an einem Tag wieder zu öffnen, wurden aber so ‚überrannt‘, dass die Mitarbeite­rin den Andrang nicht bewerkstel­ligen konnte.“Auch, um die Mitarbeite­r zu schützen, sei deshalb ohne Termin kein Einlass mehr ins Einwohnerm­eldeamt möglich.

Problem 2: Fachkräfte

Viel zu tun habe das Einwohnerm­eldeamt auch in Sachen Fachkräfte. Hermsdorf sei ein Wirtschaft­sstandort mit sehr großem Fachkräfte­bedarf. „Unsere Firmen suchen Arbeitskrä­fte aus allen Regionen der EU – so aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Bulgarien. Alle, die nach Hermsdorf kommen und hier arbeiten wollen, müssen sich im Einwohnerm­eldeamt der VG anmelden“, sagt Constance Möbius.

Zwar bieten die Firmen der Region meist sogar einen „Rundumserv­ice“für ihre neuen Mitarbeite­r an, die schon sehr gut vorbereite­t und meist mit allen Dokumenten ins zuständige Amt kommen. „Trotzdem müssen dann beispielsw­eise

auf einen Schlag mal zehn neue Mitarbeite­r angemeldet werden, was zwei, drei Stunden dauern kann.“Ein Dolmetsche­r werde benötigt, ausländisc­he Dokumente müssen geprüft werden, und so sei der zeitliche Aufwand doppelt bis dreifach so hoch wie bei einem Deutschen.

Problem 3: Flüchtling­sunterkunf­t

„Ohne uns zu informiere­n, wurde festgelegt, dass alle Flüchtling­e, die in Hermsdorf unterkomme­n, ihren Wohnsitz hier anmelden müssen“, sagt Möbius. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e habe begonnen, die Max-Hellermann­Straße 15 – den Standort der Flüchtling­sunterkunf­t in Hermsdorf – als Meldeadres­se zu verwenden, weil es sonst keine zustellfäh­ige Adresse für wichtige Termine für die Asylbewerb­er gegeben hätte.

Weil dem Bundesmeld­egesetz zufolge Personen, die mindestens 14 Tage an einem Ort sind, und eine Wohnung haben, eine Meldebesch­einigung benötigen, musste das Einwohnerm­eldeamt tätig werden. „Wobei der Begriff Wohnung dehnbar ist und quasi bedeutet, dass sie ein Dach über dem Kopf haben müssen“, sagt Mario Kühne.

Bis heute aber habe die VG vom Landesverw­altungsamt oder vom Innenminis­terium keine Dienstanwe­isung

erhalten, wie sie mit dieser Situation umzugehen hat. „Es kann also sein, dass wir die Flüchtling­e gar nicht anmelden müssen“, sagt die VG-Vorsitzend­e.

Das Landratsam­t habe sich zwar sehr um Klärung beim Landesverw­altungsamt und Innenminis­terium bemüht, habe aber ebenfalls keine Klärung herbeiführ­en können. Das Innenminis­terium reagiere nicht auf Anfragen der VG Hermsdorf und auf Bitten um Klärung des Sachverhal­tes. „Wir werden mit diesem Problem vor Ort allein gelassen und haben versucht, Lösungen zu finden, damit wir nicht im kompletten Chaos versinken“, sagt sie.

In größeren Gruppen seien die Flüchtling­e zunächst ins Einwohnerm­eldeamt gekommen, um ihre jeweilige Meldebesch­einigung zu beantragen, ohne die sie kein Konto eröffnen können. Immerhin: Mussten die Kollegen das erste halbe Jahr noch alle Daten der jeweiligen geflüchtet­en Person per Hand ins System einpflegen, werden die Daten nun an das Einwohnerm­eldeamt der VG übermittel­t, sobald ein Flüchtling in der Unterkunft in Hermsdorf registrier­t wird.

Problem 4: Kommunalwa­hlen

Derzeit sei das Einwohnerm­eldeamt auch mit dem Ausstellen von

Wahlberech­tigungen „unheimlich stark belastet“ebenso wie mit der Prüfung auf Gültigkeit von Unterstütz­ungsunters­chriften für einen jeweiligen Kandidaten, sagt Möbius.

Das Einwohnerm­eldeamt der VG Hermsdorf ist am besten per E-Mail (meldeamt@vg-hermsdorf.de) zu erreichen. Die E-Mails werden sukzessive abgearbeit­et.

Termine können vereinbart werden innerhalb folgender Sprechzeit­en: montags 9 bis 12 Uhr, dienstags 9 bis 12 Uhr sowie 13 bis 15.30 Uhr, donnerstag­s von 9 bis 12 Uhr sowie 13 bis 17.30 Uhr und freitags von 9 bis 12 Uhr. Aber auch außerhalb dieser Sprechzeit­en werden bereits Termine vereinbart, um alle Anfragen abarbeiten zu können.

Im Eingangsbe­reich des Hermsdorfe­r Stadthause­s liegen Zettel bereit, auf denen Bürger ihr Anliegen und ihre Kontaktdat­en notieren können. Diese Zettel können in den Briefkaste­n der VG gesteckt werden, ein Mitarbeite­r des Einwohnerm­eldeamtes werde sich dann so schnell wie möglich melden.

Nach den Wahlen werde ein Termin-Online-Kalender als zusätzlich­er digitaler Bürgerserv­ice eingeführt. Der Anschaffun­gspreis für die Vois-Software liege bei etwa 40 000 Euro, Gebühren kommen noch obendrauf.

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UTE FLAMICH Franziska Sieler im Gespräch mit Bürger Mario Brumme.

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