Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)

Nach Unruhe: Fest mit Zeiss-Bauarbeite­rn

Container-Unterkunft für Zeiss-Bauarbeite­r in Großlöbich­au: Jetzt kamen Bürger und Arbeiter zusammen

- Katja Dörn

Alin Pînvu blinzelt in die Sonne. „Es ist alles schön, alles angenehm“, sagt er. Der Rumäne ist Bauingenie­ur und wohnt seit wenigen Wochen in Großlöbich­au, in Containern, die extra vom Bauunterne­hmen Riedel aufgestell­t wurden. Pînvu ist Teil der Mannschaft, die auf der größten Baustelle in Jena arbeitet. Zeiss lässt am Westbahnho­f seinen Hightech-Standort errichten, Riedel-Bau ist Auftragneh­mer für den Rohbau. Gut 180 Zeiss-Arbeiter wohnen seit Ende Januar in den Containern in Großlöbich­au. Am Sonnabend wurden sie zu einem Fest mit Bürgern geladen

„Keiner arbeitet hier schwarz“

Die Veranstalt­ung wäre eine Randnotiz, wenn es nicht zuvor so große Unruhe im Ort gab. Einwohner sammelten Unterschri­ften gegen die Container, weil sie sich ungenügend in die Planung einbezogen fühlten. Bürgermeis­terin Anja Isserstedt-Theilig wurde zum Rücktritt aufgeforde­rt. Das Gerücht einer späteren Flüchtling­sunterkunf­t wurde gestreut und Ängste geschürt, Familien seien durch die ausländisc­hen Bauarbeite­r nicht mehr sicher in Großlöbich­au. Für manche sind die Bauarbeite­r dringend benötigte Fachkräfte, für andere Ausländer, die skeptisch beäugt werden. Federführe­nd wollte das ansässige Unternehme­n Vacom gemeinsam mit Riedel-Bau die Wogen glätten und zu gemeinsame­n Gesprächen laden. Ein Nachmittag an einem sonnigen Apriltag sollte dafür geeignet sein.

Bauingenie­ur Pînvu hat von der

Unruhe im Dorf gehört. Sein Deutsch ist sehr gut, seit 17 Jahren arbeitet er in der Bundesrepu­blik auf verschiede­nen Baustellen. Rumänien würde er aber nie verlassen, dort ist seine Familie, seine Kinder. „Wir sind normale Menschen. Alle haben Familie und wollen Geld verdienen“, sagt er. Keiner arbeite schwarz und ohne Papiere.

Er habe schon öfter in Containern übernachte­t, aber solch eine Unruhe bei Bürgern sei ihm nur einmal in Rostock bekannt geworden.

In den Wohncontai­nern sei alles drin. Eigene Zimmer, Wlan, Badezimmer – „Wir wollen einen Ruheplatz, wenn wir von der Arbeit kommen“, sagt der Bauingenie­ur. Seine Kollegen seien Holzmeiste­r, Eisenbiege­r, Kranführer, Maurer, die wochentags bis 18 Uhr und auf

Wunsch samstags bis Mittag auf der Zeiss-Baustelle arbeiten. Der ständige Baulärm – da sei man froh, wenn abends in der Unterkunft Ruhe herrscht. Alin Pînvu übernachte daher lieber im ländlichen Raum als in einer großen Stadt wie Jena. Der knapp vier Kilometer entfernte Netto in Jenaprießn­itz-Wogau liege zudem in machbarer Laufweite.

In Jena selbst, wo Wohnraum knapp ist, konnte die Stadtverwa­ltung keinen Platz für die Container finden. So entstand für Riedel-Bau die Fläche in Großlöbich­au. Ein Drittel der Fläche stellte Vacom zur Verfügung. Dass die Unterkunft zu so einem Trubel in der Gemeinde führt, hätte Jens Bergner nicht erwartet. Der Vacom-Geschäftsf­ührer ist weltweit unterwegs. „Wenn ich nach China fahre, erlebte ich enorme Gastfreund­lichkeit und hier wollen sie die Bürgermeis­terin abwählen, wenn Bauarbeite­r ein paar Monate hier leben.“

Es sei auch der Gemeinde ein Wunsch gewesen, sich kennenzule­rnen. Bürgermeis­terin Isserstedt­Theilig kam mit Gemeinderä­ten und Bürgern dazu. „Man wird nicht mehr so persönlich angegangen“, sagt sie zur Frage nach der Stimmung im Ort. Bis jetzt laufe es gut mit den Bauarbeite­rn, die seit Ende Januar die Container bezogen haben. Das bestätigt auch Stefan Balzer von Riedel-Bau. „Die Arbeiter leben zurückgezo­gen.“Für das Bauunterne­hmen sei ein solche Projekt wie Zeiss zu groß, um es mit eigenem Personal zu bewerkstel­ligen. Daher werden auch ausländisc­he Fachkräfte hinzu geholt.

Beim Fest zeigten sich sprachlich­e Hürden. Außer Alin Pînvu sprach kaum jemand Deutsch oder Englisch von den Bauarbeite­rn, die aus Rumänien, der Ukraine, Serbien und der Türkei kommen. Bröckchen wie Danke und Hallo flossen aber selbstvers­tändlich ein. Ein Kranführer konnte ein wichtiges Detail seiner Arbeit auf Deutsch ausdrücken: „Fünfundsec­hzig Meter!“, sagte er lächelnd. So hoch ist sein tägliches Arbeitsger­ät.

Für die Bauarbeite­r schien das Fest eine gelungene Abwechslun­g zu sein. Riedel-Bau will weitere Veranstalt­ungen anbieten, Vacom steht einem erneuten Angebot in Großlöbich­au offen gegenüber. Eine Bürgerin bedauerte: Jene, die vehement gegen die Unterkunft argumentie­rten, sah sie nicht beim Fest.

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KATJA DÖRN Zeiss-Bauarbeite­r – in der Mitte Alin Pînvu aus Rumänien – genossen das Fest in Großlöbich­au, um mit Bürgern zusammen zu kommen.

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