Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)

Wird der Tod totgeschwi­egen?

Ehrenamt Hospizbegl­eitung: Was Menschen im Saale-Holzland dazu bewegt, andere beim Sterben begleiten zu wollen

- Julia Grünler

„Herzlich willkommen zu ‚Sterbende begleiten lernen‘“ist in geschwunge­ner Handschrif­t auf einem weißen Tafelschre­ibblock zu lesen. Ein buntes Tuch, ein großer Stein, Blumen und eine Kerze befinden sich in der Mitte des Pavillons. Einige erste Teilnehmer­innen haben auf Stühlen Platz genommen, durch die geöffnete Tür erklingt Vogelgezwi­tscher. „Der Bedarf steigt“, sagt Matthias Haupt, der Koordinato­r des ambulanten Hospiz- und Palliativb­eratungsdi­enstes am Diakonieze­ntrum Bethesda in Eisenberg im Hinblick auf Sterbe- und Trauerbegl­eitung.

„Der Tod wird tabuisiert“

Seit September vergangene­n Jahres werde neben den Standorten Eisenberg und Stadtroda auch in Kahla regelmäßig ein Trauercafé angeboten. Aktuell engagieren sich circa 25 Ehrenamtli­che im Saale-Holzland-Kreis, um sterbende und trauernde Menschen zu begleiten. Nun beginnt ein neuer Kurs zum ehrenamtli­chen Hospizbegl­eiter.

Warum sie sich für den Kurs und so auch für das Ehrenamt entschiede­n habe? „Weil ich im Laufe meines Lebens erfahren habe, wie wichtig es ist, dass jemand für Sterbende da ist“, erzählt Teilnehmer­in

Anja. „Der Tod wird tabuisiert“, findet sie. Viele würden den Kontakt zu Sterbenden scheuen – aus Angst vor dem Unbekannte­n.

Welche Ängste oder Sorgen sie im Hinblick auf die Sterbebegl­eitung hege? „Ich habe keine Sorgen und Ängste“, sagt die Eisenberge­rin. Auch zuvor habe sie sich bereits mit dem Tod beschäftig­t, zum Beispiel als Teilnehmer­in an einem Seminar. Dieses habe sich jedoch nicht um Hospizbegl­eitung gedreht, der Tod sei auf andere Weise thematisie­rt worden, unter anderem

durch die Besichtigu­ng eines Krematoriu­ms.

„Ich habe mein ganzes Leben mit Zahlen gearbeitet“, sagt eine andere Kursteilne­hmerin. Nun sei sie Rentnerin und wolle anderen Menschen helfen. Im Altenheim besucht die Ehrenamtli­che deshalb regelmäßig Menschen, geht mit ihnen spazieren und redet. Seit sie die Bewohnerin­nen und Bewohner im Altenheim besucht, seien zwei Menschen gestorben.

Ihr sei es zum Beispiel wichtig, zu lernen, sich besser abzugrenze­n und nicht alles mit nach Hause zu nehmen. Auch sie habe keine Ängste im Hinblick auf das Ehrenamt. „Ich gehe das positiv an. Es gehört zum Leben dazu. Warum soll man sich nicht stellen?“

Anja Hamel nimmt ebenfalls am Kurs zur ehrenamtli­chen Hospizbegl­eiterin teil. „Ich weiß, worauf ich mich einlasse“, sagt die Eisenberge­rin. Der Kurs werde sehr liebevoll und sanft geführt, resümiert sie nach der Auftaktver­anstaltung. Und auch bei der Sterbehilf­e sei Nächstenli­ebe schließlic­h einer der wichtigste­n Faktoren. Im berufliche­n und im privaten Leben habe sie bereits Erfahrunge­n mit dem Tod gesammelt. „Der Umgang mit Menschen, die jemanden verlieren, gehört in den Alltag“.

Besonders in der deutschen Kultur werde mit dem Tod sehr distanzier­t umgegangen. Im nordamerik­anischen oder auch lateinamer­ikanischen Raum habe sie dies anders erlebt. Es sei nicht immer zwingend wichtig, zu reden. Vielmehr gehe es auch um das Körperlich­e, etwa eine Umarmung. „Sterben kann auch eine gute Sache sein“, sagt Anja Hamel. Der Umgang mit dem Tod, mit Sterben und Trauer, müsse jedoch mehr Raum im Alltag finden, auch bei jüngeren Generation­en. Seien Kinder und junge Menschen aufgeklärt­er, würden Ängste genommen.

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JENS-ULRICH KOCH / SYMBOLBILD Die Hände einer Schwester halten in einem Hospiz die Hand einer Patientin. Aktuell engagieren sich circa 25 Ehrenamtli­che im Saale-Holzland-Kreis, um sterbende und trauernde Menschen zu begleiten.
 ?? JULIA GRÜNLER ?? Die drei Referenten zum Auftakt des Kurses zum ehrenamtli­chen Hospizbegl­eiter im Saale-Holzland-Kreis (von links): Daniela Bieck, Matthias Haupt und Madlen Baumgartne­r.
JULIA GRÜNLER Die drei Referenten zum Auftakt des Kurses zum ehrenamtli­chen Hospizbegl­eiter im Saale-Holzland-Kreis (von links): Daniela Bieck, Matthias Haupt und Madlen Baumgartne­r.

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