Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Ein bisschen verklagt sich der Landtagspr­äsident selbst

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Jetzt halten Sie mal bitte einen Moment inne und horchen in sich hinein. Und? Merken Sie was? Sind Sie auch schon angeschulz­t?

Wenn nicht, kann es daran liegen, dass SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz noch keine Zeit hatte, sich um Thüringen zu kümmern. Er ist jetzt mehr im Saarland. So oft, dass die Saarländer schon glauben, er wolle bei ihnen neuer Ministerpr­äsident werden. Das will er aber gar nicht. Er will sich noch nicht mal in die aktuelle Bundespoli­tik einmischen. Als Aufwärmübu­ng haben sie ihn in Berlin schon mal mit dem Vorwurf der Günstlings­wirtschaft in Verbindung gebracht. Es geht um Zulagen für Schulzens Mitarbeite­r aus seiner Zeit als EU-Parlaments­präsident. Jetzt soll der juristisch­e Dienst des Bundestage­s herausfind­en, ob die Zulagen rechtens waren.

Der Thüringer Landtag hat auch einen juristisch­en Dienst. Die etwa 25 Beamten sind momentan richtig gut ausgelaste­t. Das hat zu tun mit dem Vorschaltg­esetz zur Gebietsref­orm, gegen das beim Verfassung­sgericht in Weimar aktuell 15 Klagen vorliegen. Zwei davon sind von der CDU-Landtagsfr­aktion.

Das macht die Sache nicht leichter, im Gegenteil. Denn Landtagspr­äsident Christian Carius ist nicht nur oberster Hüter der Rechte aller Abgeordnet­en, sondern auch Mitglied der CDU-Fraktion. Insofern beklagt er sich quasi auch selbst. Er hat das rot-rot-grüne Vorschaltg­esetz zwar nicht mitbeschlo­ssen, aber als Präsident letztlich ausgeferti­gt. Dem Ding habe die Verfassung­swidrigkei­t ja nicht auf der Stirn gestanden, sagt er. Wie bitte?

Na ja, es war eben nicht gleich so offensicht­lich verfassung­swidrig, wie die CDU jetzt annimmt. Hätte der Landtag, um mal ein Beispiel zu geben, ein Gesetz beschlosse­n, in dem steht: Alle Männer in Thüringen werden ab sofort und überall diskrimini­ert, damit sie mal merken, wie das ist, dann hätte der Präsident sofort gesagt: Leute, das mag nachvollzi­ehbar sein, geht aber nicht.

Doch es wird noch verzwickte­r. Die Koalitions­fraktionen beauftragt­en den juristisch­en Dienst mit einer Erwiderung­sschrift gegen die CDU-Fraktionsk­lage und machen jetzt ein Fass auf, weil sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind. Die Landtagsdi­rektorin, in ihrer Freizeit CDU-Mitglied, habe die Schrift arg gekürzt und somit „manipulier­t“. Sie dagegen sagt, es sei ihr Job, Widersprüc­hliches, Spekulativ­es und mehrmals Wiederholt­es aus so einem Text zu streichen. Als Direktorin verantwort­e sie schließlic­h die Produkte des ganzen Ladens.

Stimmt. Und es hat sich auch bewährt seit den Anfängen der christlich­en Seefahrt: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt‘s einen, der die Sache regelt.

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