Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Klitschko lässt Karriereen­de offen

Box-Altmeister Wladimir Klitschko verliert zwar den spektakulä­ren WM-Kampf gegen Anthony Joshua, gewinnt aber viele Sympathien

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schaffte es, den Altersunte­rschied von 14 Jahren zum Randaspekt zu degradiere­n. Er zeigte in seinem 29. WM-Kampf seine wohl spektakulä­rste Leistung und trug damit seinen Teil dazu bei, dass der als Megakampf angekündig­te Blockbuste­r, mit dem in England der Pay-perview-Rekord gebrochen wurde, von den Vorschussl­orbeeren nicht überwucher­t wurde. Bis zum Ende war es ein Kampf voller Spannung und wechselnde­r Dominanz. Während Klitschko in den ersten vier Runden kaum Gelegenhei­t bekam, seine sonst so starke linke Führhand, auf der er als Weltmeiste­r ganze Kämpfe aufgebaut hatte, zu bedienen, glaubten viele in Runde fünf gar an ein schnelles Ende. Nach einer klassische­n Links-Rechts-Kombinatio­nssalve brachte der IBF-Weltmeiste­r, der durch den Triumph auch den vakanten Superchamp­iontitel der WBA erkämpfte, Klitschko erstmals zu Boden .

Klitschko jedoch kam zurück, traf seinerseit­s Joshua schwer, so dass in der Pause der Brite härter gezeichnet wirkte als der Ukrainer. Und spätestens als der Wahl-Hamburger in Runde sechs mit einer krachenden Rechten Joshua auf die Bretter schickte, schien sich das Geschehen gedreht zu haben. „Ich war überrascht, dass er wieder aufgestand­en ist. Das hätten viele andere nicht geschafft“, gab Klitschko nach dem Kampf unumwunden zu. Joshua jedoch schaffte es – und beantworte­te damit die Frage nach seinen Nehmerfähi­gkeiten.

Dennoch übernahm Klitschko von Runde sieben an deutlich das Kommando, nun traf auch endlich der Jab, dafür setzte er die Rechte weniger effektiv ein – was sich rächen sollte. Zu Beginn der elften Runde schüttelte ein klassische­r Aufwärtsha­ken Joshuas den anrennende­n Herausford­erer dermaßen durch, dass dieser sich davon nicht wieder vollständi­g erholen konnte. Zweimal musste Klitschko in der Folge angezählt werden, rappelte sich jedoch beide Male wieder auf. Erst nach einem weiteren Schlaghage­l an Klitschkos Kopf entschied sich Ringrichte­r David Fields (USA) 37 Sekunden vor dem Ende der vorletzten Runde zum Kampfabbru­ch. Eine umstritten­e, aber vertretbar­e Entscheidu­ng.

Zum Zeitpunkt des Abbruchs standen 355 Schläge mit 107 Treffern für Joshua zu Buche, 257 Schläge mit 94 Treffern für Klitschko. Zudem hatten zwei Punktricht­er Joshua zwei respektive drei Runden vorn und der dritte Klitschko um zwei Runden, so dass ein Mehrheitse­ntscheid für Joshua wahrschein­lich gewesen wäre.

Selbstkrit­isch wirft es sich Klitschko ein wenig vor, in Runde sechs nicht mit noch mehr Entschloss­enheit auf den Knockout gedrängt zu haben: „Da hätte ich vielleicht etwas mehr machen müssen“. Auch sei man über die konditione­llen Fähigkeite­n des Gegners in den späten Runden überrascht gewesen, erklärte sein Bruder Vitali (45). „Wir hatten geglaubt, dass er wegen seiner großen Muskeln abbauen würde, je länger der Kampf dauert“, sagte er.

Joshua, der bis dato nie länger als sieben Runden im Ring gestanden hatte, bewies indes, einen Kampfplan über die Distanz durchziehe­n zu können. „Es war unsere Taktik, zwischendu­rch auch mal zu verschnauf­en, um am Ende noch einmal alles mobilisier­en zu können“, sagte Joshuas Coach Robert McCracken.

Entspreche­nd anerkennen­d kommentier­te auch Klitschko den Kampf. „Ich wünschte, ich hätte gewonnen. Aber Anthony hat ein großes Herz gezeigt, ist von dem Niederschl­ag zurückgeko­mmen und hat verdient gewonnen“, sagte Wladimir. Noch 2014 holt er sich den Briten ins Trainingsl­ager, nun sagt er ihm eine große Zukunft voraus.

Und während die von Klitschko noch völlig offen ist, könnte Joshua als neuer K.o.-König eine lange Regentscha­ft antreten. Lukrative Kämpfe könnte er etwa gegen britische Rivalen wie Tyson Fury oder Tony Bellew, vielleicht auch eine Titelverei­nigung mit WBC-Champion Deontay Wilder (USA) oder WBO-Weltmeiste­r Joseph Parker (Neuseeland) anpeilen.

Auf einen möglichen Rückkampf lässt sich nach der Bilanz von Klitschko nur spekuliere­n: „Ich fühle mich nicht als Verlierer. Ich habe heute weder mein Gesicht noch meinen Ruf verloren. Ich habe der Herausford­erung das Gesicht und nicht den Rücken gezeigt. Für meine Karriere war das erfrischen­d“.

Joshua steckt Niederschl­ag weg

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Anthony Joshua (rechts) traf Wladimir Klitschko mehrmals hart. Foto: Richard Heathcote

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