Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Neues Wohnen in alten Schulen

Am Eichwald in Bad Blankenbur­g gammelt das frühere Fröbel-Gymnasium vor sich hin – das soll sich ändern

- Von Thomas Spanier

Bad Blankenbur­g. Auf dem Feld hinter dem Eichwald, wo der Schornstei­n der Müllverbre­nnungsanla­ge Schwarza wie ein drohender Zeigefinge­r hinterm Horizont hervorlugt, blüht Anfang November noch der rote Mohn. Kinderstim­men dringen vom früheren Schulhof des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums herüber. Eine Gruppe des gleichnami­gen AWO-Kindergart­ens hat hier ihr Übergangsq­uartier. Unter den Schuhsohle­n knacken die gelben Früchte, die dem Wäldchen seinen Namen gegeben haben. Nur vereinzelt schweben Blätter herab. Ein Herbsttrau­m in gelb.

„Es fehlt der Frost“, sagt Wilfried Linse mit Blick auf das Laub, das wie faule Äpfel an den Bäumen hängt. 60 Mal hat er hier am Rande der Siedlung die Jahreszeit­en kommen und gehen sehen. „Meine Eltern sind hier 1958 eingezogen. Erstbezug“, sagt Linse. Er übernahm die Wohnung Am Eichwald 19 zwei Jahre vor der Wende.

Eine Hausnummer weiter, Am Eichwald 20, steht das gewaltige Schulgebäu­de, das den 65-Jährigen fast sein gesamtes Leben lang begleitet hat. „Ich bin hier zehn Jahre zur POS gegangen“, sagt Linse und zählt seine Lieblingsl­ehrer auf: „Franz Hanl in Physik und Manfred Heimler in Biologie“. Sofort sind die Erinnerung­en wieder da. Dort unten, der Werkraum, wo er Schiffsmod­elle gebaut hat.Da drüben, die Treppe, wo sie später immer die Fotos der Klassentre­ffen gemacht haben. Da oben, der Zeichensaa­l, wo die Lehrerin im Minirock auf den Stufen eines Podests saß. Einmal habe er zu lange hingeguckt: Das gab Ärger.

Als Kind sei es immer sein Traum gewesen, den Turm zu besteigen, in dem die Schuluhr die Stunde schlug. Erst als Erwachsene­r, bei einem Tag der offenen Tür, habe er sich diesen Traum erfüllt. Beim Abschiedss­chulfest mit 500 Gästen am 28. Juni 2014 war Wilfried Linse natürlich dabei. Seitdem hofft er, dass wieder Leben einzieht. „Die Bäume wachsen schon auf dem Weg und die Fassade müsste auch dringend saniert werden“, sagt Linse.

Gut möglich, dass sich auch dieser Wunsch demnächst erfüllt. Der Landkreis als Eigentümer der Ex-Schule hat die Liegenscha­ft ausgeschri­eben und wollte sie gern noch in diesem Jahr veräußern. Das einzige Angebot kam von der AWO Saalfeld-Rudolstadt, die in der Wüste Köditz bereits ein ähnliches Projekt realisiert hat, wo aus einer ehemaligen Berufsschu­le eine moderne Wohnanlage entstand. „Der Landkreis ist auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir so etwas nicht auch mit dem Fröbel-Gymnasium machen können“, sagt dazu AWOGeschäf­tsführer Andreas Krauße auf Anfrage. Denkbar sei betreutes Wohnen in Kombinatio­n mit Senioren-Wohngemein­schaften. Eine Studie soll Aufschluss geben, „ob das Objekt mit vertretbar­em Aufwand zu sanieren ist“, so der Saalfelder. Unterschri­eben sei noch nichts.

Vor die Unterschri­ft haben die Götter nämlich das Thüringer Landesamt für Denkmalpfl­ege und Archäologi­e gesetzt. Die Behörde teilte Ende August mit, dass die Schule nunmehr ins Denkmalbuc­h eingetrage­n werde. Leichter hat das ein Bauvorhabe­n noch nie gemacht.

 ??  ?? Schriftzug an der Außenfassa­de des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums Bad Blankenbur­g. Daneben bröckelt der Putz. Foto: Thomas Spanier Wilfried Linse lebt seit  Jahren in der Nachbarsch­aft des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums in der Bad Blankenbur­ger Siedlung. Er würde sich freuen, wenn wieder Leben und Ordnung in das Objekt einzieht, in das er zehn Jahre zur Schule ging. Foto: Thomas Spanier
Schriftzug an der Außenfassa­de des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums Bad Blankenbur­g. Daneben bröckelt der Putz. Foto: Thomas Spanier Wilfried Linse lebt seit  Jahren in der Nachbarsch­aft des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums in der Bad Blankenbur­ger Siedlung. Er würde sich freuen, wenn wieder Leben und Ordnung in das Objekt einzieht, in das er zehn Jahre zur Schule ging. Foto: Thomas Spanier
 ??  ?? In der „Wüste Köditz“in Saalfeld entstand in Regie der AWO auf dem Gelände einer ehemaligen Berufsschu­le ein neues Wohnquarti­er. Foto: Andreas Abendroth
In der „Wüste Köditz“in Saalfeld entstand in Regie der AWO auf dem Gelände einer ehemaligen Berufsschu­le ein neues Wohnquarti­er. Foto: Andreas Abendroth
 ??  ?? Der Haupteinga­ng des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums Bad Blankenbur­g mit dem markanten Turm. Von hier erschallt jeden Sonnabend probeweise die Sirene.
Der Haupteinga­ng des ehemaligen Friedrich-Fröbel-Gymnasiums Bad Blankenbur­g mit dem markanten Turm. Von hier erschallt jeden Sonnabend probeweise die Sirene.

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