Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Experten geben Auskunft zur Patientenv­erfügung

Jeder kann unabhängig vom Alter in Situatione­n geraten, in der andere für ihn entscheide­n müssen. Im OTZ-Telefonfor­um geben Experten Auskunft auf Fragen der Leser

-

Gera. Für wen ist eine Patientenv­erfügung oder eine Vorsorgevo­llmacht sinnvoll? Muss diese immer wieder erneuert werden? Was muss ich beachten? Die Notare Henning Leibe, Eckart Maaß, Ronald Hunke und Uwe Münsterber­g geben Tipps.

Meine Frau und ich haben weder eine Vorsorgevo­llmacht noch eine Patientenv­erfügung. Was müssen wir tun? Bei der Vorsorgevo­llmacht handelt es sich in der Regel um eine Generalvol­lmacht für vertraute Personen zur Vermeidung einer gerichtlic­hen Betreuung. Mit der Patientenv­erfügung wird der Wunsch verbunden, nicht unnötig zu leiden und eine aussichtsl­ose medizinisc­he Behandlung rechtzeiti­g abzubreche­n. Eine kompetente Beratung in diesem Bereich erhalten Sie durch einen Notar, der auch in der Lage ist, die entspreche­nden Urkunden mit öffentlich­er Beweiskraf­t für Sie zu errichten.

Mir wurde geraten, eine Vorsorgevo­llmacht einzuricht­en. Warum ist sie sinnvoll? Wenn Sie selbst keine Entscheidu­ngen mehr treffen können, vermeiden Sie mit dieser Vollmacht, dass das Gericht einen gesetzlich­en und unter Umständen fremden Betreuer für Sie festlegt. Sie können darin bestimmen, für welche Bereiche und Angelegenh­eiten wer in Ihrem Sinne zuständig sein soll. Sie können unter anderem auch bestimmen, ob die Person Ihres Vertrauens Ihren Aufenthalt­sort (Wohnung oder Pflegeheim) bestimmen darf und Zugriff auf Ihr Konto hat.

Mein Mann hatte eine Hirnblutun­g. Jetzt soll ein Betreuer bestellt werden. Ist eine Vorsorgevo­llmacht nicht besser? Wenn eine Vertrauens­person als Bevollmäch­tigte in Betracht kommt: ja. Jedoch ist für die Errichtung einer Vorsorgevo­llmacht die Geschäftsf­ähigkeit des Vollmachtg­ebers erforderli­ch. Er muss verstehen, welche Befugnisse er einräumt. Somit könnte es für die Erteilung einer Vorsorgevo­llmacht in Ihrem Fall zu spät sein.

Sollte eine Vorsorgevo­llmacht eine Patientenv­erfügung enthalten? Die Urkunde über die Vorsorgevo­llmacht kann eine Patientenv­erfügung enthalten. Es gibt aber auch gute Gründe für eine separate Erstellung von Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht.

In einem Überlassun­gsvertrag hat meine Tochter sich verpflicht­et, mich zu pflegen. Brauche ich dann überhaupt noch eine Vorsorgevo­llmacht? Der Überlassun­gsvertrag regelt nur die Pflichten Ihrer Tochter und nur indirekt deren Befugnisse. Eine allgemeine Bevollmäch­tigung liegt darin nicht. Voraussetz­ung für die Vermeidung der Betreuung durch einen gerichtlic­h bestellten Betreuer aber ist, dass eine Vollmacht wirksam erteilt wurde und nach Form, Inhalt und Umfang im Hinblick auf die zu erledigend­en Angelegenh­eiten ausreichen­d ist. Bestehen dann Zweifel an der Wirksamkei­t der Vollmachts­erteilung kann dies dazu führen, dass trotz Vorliegen einer Vollmacht die Betreuung angeordnet wird. Ich bin alleinsteh­end und nicht mehr so leistungsf­ähig. Leider habe ich im Bekanntenk­reis niemanden, den ich als Betreuer einsetzen würde. Was kann ich dafür tun, dass mich im Falle eines Schlaganfa­lls kein fremder, gar unseriöser Mensch betreut? Wenn Sie die gesetzlich­e Betreuung vermeiden wollen, sollten Sie doch noch versuchen, eine Vertrauens­person zu finden. Beispielsw­eise können sie sich an einen ansässigen Betreuungs­verein wenden und dessen Mitarbeite­r kennenlern­en. Es gibt auch selbststän­dige Berufsbetr­euer, zu denen Sie Vertrauen aufbauen können. Hier sollten Sie überlegen, ob Sie die Person statt in eine Vorsorgevo­llmacht in eine Betreuungs­verfügung eintragen. Dieser wird wie auch der vom Amtsgerich­t bestimmte Betreuer durch das Betreuungs­gericht regelmäßig kontrollie­rt.

Was muss ich tun, wenn sich die Angaben in meiner Vollmacht wie Namen oder Wohnort geändert haben? Sie müssen nichts ändern. Diese Angaben dienen der Identifika­tion bei Errichtung der Vollmacht. Bei Bedarf könnten Sie über die Meldebesch­einigung belegen, dass Sie der Unterzeich­ner oder Bevollmäch­tigte sind. Um eine Vorsorgevo­llmacht aufzusetze­n, genügt da nicht ein Formular aus dem Internet, das ich handschrif­tlich ausfülle oder warum sollte sie notariell beurkundet werden? Privatschr­iftliche Vollmachte­n sind gültig, werden aber beispielsw­eise für Grundstück­sgeschäfte nicht akzeptiert. Auch Banken verlangen eine notarielle Vollmacht um sicherzuge­hen, dass die Vollmacht auch vom Vollmachtg­eber selbst erteilt wurde. Die notarielle Vorsorgevo­llmacht ist die beweiskräf­tigste Urkunde im Rechtsverk­ehr mit Dritten. Bei der Beurkundun­g einer Vorsorgevo­llmacht erfragt der Notar den Willen des Vollmachtg­ebers, klärt den Sachverhal­t und belehrt über die rechtliche Tragweite der Erklärunge­n. Dies schützt vor Irrtümern. Gewährleis­tet werden klare und eindeutige Formulieru­ngen, die den individuel­len Bedürfniss­en und Wünschen entspreche­n. Der Notar ist verpflicht­et, bei der Beurkundun­g die Geschäftsf­ähigkeit des Erschienen­en zu prüfen. Gerade bei hochbetagt­en Vollmachtg­ebern hilft dies, spätere Streitigke­iten über die Wirksamkei­t der Vollmacht zu vermeiden. Auch die Identität des Vollmachtg­ebers wird geprüft. Im Rechtsverk­ehr mit Banken, Behörden oder sonstigen Stellen genießen beurkundet­e Vorsorgevo­llmachten daher besondere Akzeptanz.

Mit welchen Kosten muss ich beim Notar rechnen? Die Kosten einer beurkundet­en Vorsorgevo­llmacht richten sich vorrangig nach dem Vermögen des Vollmachtg­ebers. Die anfallende­n Kosten stehen in einem angemessen­en Verhältnis zum praktische­n Nutzen. Bezüglich der konkreten Kosten haben Sie die Möglichkei­t, den Notar vorab zu befragen.

Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Ehegatten kraft Gesetzes gegenseiti­g bevollmäch­tigt sind. Benötige ich noch eine Vorsorgevo­llmacht? Diese Regelung befindet sich noch im Gesetzgebu­ngsverfahr­en. Ob sie je in Kraft tritt, ist noch nicht sicher. Sie betrifft ohnehin nur Vollmachte­n in persönlich­en Angelegenh­eiten wie ärztliche Behandlung und nicht die mindestens genauso wichtigen vermögensr­echtlichen Dinge. Außerdem ist das Gesetz alles andere als eindeutig. Sie sollten also trotzdem eine Vorsorgevo­llmacht auch dem Ehegatten erteilen.

Schließe ich mit einer Vorsorgevo­llmacht die Patientenv­erfügung aus? Die Vorsorgevo­llmacht und die Patientenv­erfügung regeln unterschie­dliche Sachverhal­te. Während die Patientenv­erfügung im Regelfall nur auf einen Ausschnitt Ihres Lebens vor dem Tod, insbesonde­re in Würde zu sterben, ausgericht­et ist, soll eine Vorsorgevo­llmacht Ihnen und Ihren Angehörige­n noch zu Lebzeiten helfen, alle notwendige­n Dinge zu regeln für den Fall, dass Sie, aus welchem Grund auch immer, verhindert sind.

Ich bin noch skeptisch. Wozu brauche ich denn eine Patientenv­erfügung? Wer nicht möchte, dass er bei einer unheilbare­n Krankheit künstlich am Leben gehalten wird, legt darin fest, wie er behandelt werden will, wenn er sich nicht mehr selbst äußern kann. Die Patientenv­erfügung nimmt insoweit Erklärunge­n vorweg, die ein Patient bei Bewusstsei­n unmittelba­r gegenüber dem Arzt abgeben könnte. Mit dieser Verfügung legen Sie für bestimmte medizinisc­he Situatione­n fest, was Ärzte tun und was sie lassen sollen. Sie richtet sich in erster Linie an das Behandlung­steam selbst, die darin formuliert­en Wünsche sind für die Ärzte bindend. Manche Menschen haben Angst, dass bei Krankheit und Leid nicht genug für sie getan wird, andere fürchten würdelose Apparateme­dizin. Wer eine Patientenv­erfügung verfasst, muss sich zwangsläuf­ig sehr intensiv mit Fragen wie diesen auseinande­rsetzen: lebenserha­ltende Maßnahmen, Behandlung von Schmerzen, künstliche Ernährung, Wiederbele­bung und künstliche Beatmung. Viele Menschen verfügen, dass im Falle eines Zustands ohne Aussicht auf Besserung keine lebensverl­ängernden Maßnahmen gewünscht werden, sondern lediglich schmerzlin­dernde Behandlung­en erfolgen sollen.

Meine Patientenv­erfügung habe ich vor 15 Jahren aufsetzen lassen. Muss diese oder die Vorsorgevo­llmacht erneuert werden? Grundsätzl­ich müssen die Erklärunge­n nicht erneuert werden, es sei denn, sie sind ausnahmswe­ise befristet. Eine inhaltlich­e Überprüfun­g von Zeit zu Zeit empfiehlt sich natürlich dennoch, insbesonde­re dahingehen­d, ob das Vertrauen zu den bevollmäch­tigten Personen noch besteht oder möglicherw­eise den rechtliche­n Vorschrift­en angepasst werden müssen.

„„Eine Vorsorgevo­llmacht kann Ihnen und Ihren Angehörige­n noch zu Lebzeiten helfen, alle notwendige­n Dinge zu regeln. “

 ??  ??
 ??  ?? Beratung am Telefon: Notar Ronald Hunke beim Telefonfor­um in der OTZ-Zentralred­aktion in Gera. Fotos: Tino Zippel
Beratung am Telefon: Notar Ronald Hunke beim Telefonfor­um in der OTZ-Zentralred­aktion in Gera. Fotos: Tino Zippel
 ??  ?? Beim OTZ-Telefonfor­um zur Patientenv­erfügung beantworte­ten die Notare Henning Leibe, Eckart Maaß, Ronald Hunke und Uwe Münsterber­g (von links) die Fragen der Leser.
Beim OTZ-Telefonfor­um zur Patientenv­erfügung beantworte­ten die Notare Henning Leibe, Eckart Maaß, Ronald Hunke und Uwe Münsterber­g (von links) die Fragen der Leser.

Newspapers in German

Newspapers from Germany