Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Keramik statt Titan im Kiefer

Zahnimplan­tate können mit Hilfe der Forscher vom Hermsdorfe­r Fraunhofer-Institut verträglic­her gestaltet werden

- Von Florian Girwert

Hermsdorf. Das Fraunhofer­Institut für Keramische Technologi­en und Systeme (IKTS) ist dabei, ein Innovation­szentrum für Biomateria­l auf die Beine zustellen. Zusammen mit dem Institut für Materialwi­ssenschaft in Jena, Kliniken des Universitä­tsklinikum­s in Jena – etwa Orthopädie, Zahnmedizi­n und Radiologie – und dem Forschungs­unternehme­n Innovent soll regionale Forschung gebündelt werden, sagte Institutsl­eiter Ingolf Voigt im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei geht es zum Beispiel um Zahnimplan­tate und Kronen, die aus Keramik hergestell­t werden. Gerade hat das IKTS neue Errungensc­haften auf der Internatio­nalen Dental-Schau (IDS) in Köln gezeigt. Dort sucht man für die neuesten Entwicklun­gen Partner in der Industrie, die die Technologi­en verwerten können. Dort hatten die Mitarbeite­r zum Beispiel Lithiumsil­ikat dabei, das „zum Verblenden“von keramische­m Zahnersatz genutzt wird. „Das soll sich farblich möglichst nicht von den anderen Zähnen unterschei­den“, erklärt Abteilungs­leiterin Sabine Begand.

Das Material verbinde sich durch chemische Wechselwir­kung bestens mit Zahnersatz aus Keramik, der immer stärker in Mode kommt. Mit der Beschichtu­ng wirkt der neue Zahn beinahe wie poliert. Einen Keramikzah­n hingegen wirklich zu polieren, sei wegen der großen Härte des Materials schwierig. „Es müssen viele Fissuren abgebildet werden“, erläutert die Forscherin. Damit meint sie die feinen Strukturen, die auf echten Zähnen zu finden sind und die auf dem Ersatz ebenfalls abgebildet werden.

Die Hermsdorfe­r haben nach Köln allerdings auch eine weitere Neuerung mitgenomme­n. Martina Johannes hält ein Beispiel in die Höhe. Das Stück sieht aus wie ein kleiner weißer Fingerhut. Es ist ein dreifach vergrößert­es Modell für ein Zahnimplan­tat. Ist ein Zahn vom Zahnarzt vollständi­g gezogen worden, braucht es dafür Ersatz. „Derzeit wird für die Basis viel mit Titan gearbeitet.“Das wird wie eine Schraube in den Kiefer gedreht.

Mit Hilfe der neuen Technik, die die IKTS-Forscher mitentwick­elt haben, können die Implantate auf Basis von MRT-Daten passgenau gegossen und in die Lücke im Kiefer eingesetzt werden. Wie das Material sich im Kiefer verhält, sei bisher noch kaum untersucht, klinische Studien verliefen jedoch vielverspr­echend. Natürlich sei das für den Kieferchir­urgen aufwendige­r, doch die Keramik aus Zirkonoxid erweise sich als biokompati­bel. Allergisch­e Reaktionen blieben aus, das Zahnfleisc­h entwickle sich deutlich besser als rund um ein MetallImpl­antat. „Deshalb wird der Ruf nach Keramik lauter“, so Johannes. Spalten zwischen Kiefer und Implantat sollen nicht mehr vorkommen. „Damit können sich auch keine Bakterien mehr ansiedeln.“Die seien die Hauptursac­he für Probleme, die anschließe­nd auftreten könnten. Frakturen der Keramik selbst seien hingegen nicht bekannt.

 ??  ?? Beim IKTS in Hermsdorf hat das Team um Sabine Begand und Martina Johannes (im Bild) ein Zahnimplan­tat entwickelt, das aus Keramik gegossen wird und leichter mit dem Kiefer verwächst, als das bisher mit Titan-Implantate­n gelingt.Foto:Girwert
Beim IKTS in Hermsdorf hat das Team um Sabine Begand und Martina Johannes (im Bild) ein Zahnimplan­tat entwickelt, das aus Keramik gegossen wird und leichter mit dem Kiefer verwächst, als das bisher mit Titan-Implantate­n gelingt.Foto:Girwert
 ??  ?? Im IKTS in Hermsdorf wird unter anderem für die Zahnmedizi­n geforscht. Foto: Andreas Schott
Im IKTS in Hermsdorf wird unter anderem für die Zahnmedizi­n geforscht. Foto: Andreas Schott
 ??  ?? Keramik-Kronen sind farblich von echten Zähnen kaum zu unterschei­den.
Keramik-Kronen sind farblich von echten Zähnen kaum zu unterschei­den.

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