Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Saar-Wahl: Was steht auf dem Spiel?

Kleines Land, große Wirkung: Am Sonntag geht es für Angela Merkel, Martin Schulz und andere Spitzenpol­itiker um viel

- Von Christian Kerl

Es ist das kleinste Flächenlan­d der Republik, doch an diesem Sonntag schaut ganz Deutschlan­d auf das Saarland. Die Landtagswa­hl ist der unerwartet spannende Auftakt des Superwahlj­ahrs. Und der erste Testlauf des SPD-Vorsitzend­en Martin Schulz. Der Wettkampf zwischen CDU-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und ihrer SPD-Herausford­erin Anke Rehlinger, die bisher in einer großen Koalition zusammen regieren, hat Folgen für die Stimmung im Bund. In den vier Umfragen der letzten zehn Tage lag die Union mit 35 bis 37 Prozent vor der SPD mit 32 bis 34 Prozent. Dennoch könnte die CDU die Macht verlieren. Kleines Land, große Wirkung: Für wichtige Spitzenpol­itiker steht am Sonntag viel auf dem Spiel.

Angela Merkel: Die Saar-Wahl wird für die Kanzlerin zum Fernduell. Die Abstimmung wird zeigen, wie gefährlich ihr Herausford­erer Martin Schulz wirklich ist. Bis Schulz Ende Januar zum SPD-Kanzlerkan­didaten ausgerufen wurde, sah die CDU im Saarland wie der sichere Wahlsieger aus. Nach letzten Umfragen könnten die Christdemo­kraten trotz Stimmenvor­sprungs das Ministerpr­äsidentena­mt nach 18 Jahren an die SPD verlieren. Die Union würde dann nur noch in vier von 16 Ländern den Regierungs­chef stellen. Das wäre ein schlechter Auftakt des Bundestags­wahljahrs, zumal die CDU bei den folgenden Wahlen in den rot-grün regierten Ländern Schleswig-Holstein und NRW im Mai nur begrenzte Erfolgsaus­sichten hat.

Entspreche­nd gereizt ist die Stimmung in der Union: Bei CDU und CSU rüsten Gegner der Kanzlerin zur großen Merkel-Abrechnung ab Montag. Andere Unionsleut­e dürften darauf drängen, früher als geplant in den Bundestags­wahlkampf einzusteig­en. Merkel ist besonders verwundbar, weil Spitzenfra­u Kramp-Karrenbaue­r eine enge Vertraute ist, schon als „Kronprinze­ssin“gehandelt wurde. Es könnte ungemütlic­h werden. Muss es aber nicht. Denn noch ist alles offen, auch ein MerkelTriu­mph ist denkbar: Wird die CDU im Saarland so stark, dass an einer großen Koalition nichts vorbeiführ­t, wäre das Rückenwind auch für die Kanzlerin.

Martin Schulz: Für den SPDChef ist die Wahl an der Saar der erste Test, ob der „Schulz-Effekt“belastbar ist. Nach den Umfragen hat die SPD im Saarland seit der Nominierun­g von Schulz als Kanzlerkan­didat um acht, neun Prozentpun­kte zugelegt. SPD-Spitzenkan­didaten Anke Rehlinger (40) könnte dennoch nur in einer Koalition mit der Linken oder mit Rot-RotGrün Ministerpr­äsidentin werden. Festgelegt hat sie sich nicht, aber der Druck zum Koalitions­wechsel wäre bei entspreche­nder Mehrheit wohl groß.

Schulz hat dieser Option schon sehr deutlich seinen Segen gegeben und erklärt, diese wäre „nichts besonders Überrasche­ndes“. Eine Nebenwirku­ng aber wäre unvermeidl­ich: Bisher lehnt Schulz für den Bund jede Koalitions­aussage ab – RotRot im Saarland würde da als Fingerzeig verstanden, die Koalitions­debatte wäre kaum zu verhindern. Die Union würde zu den weiteren Wahlen mit der Warnung vor einem „Linksruck“Anhänger mobilisier­en.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r: Die so bodenständ­ige wie zielstrebi­ge Ministerpr­äsidentin galt schon als „Merkel von der Saar“, die daheim so erfolgreic­h regiert, dass ihr auch eine Karriere im Bund zugetraut wurde. Vom Ausmaß der SPDAufholj­agd im Saarland wurde die 54-Jährige völlig überrascht, erschrocke­n spricht sie von einer „Eruption“. Noch hofft „AKK“auf die Fortsetzun­g der großen Koalition, aber sie könnte das erste Opfer des Schulz-Effekts werden. Ein Rezept hat die Bundes-CDU auch nicht. Dort heißt es, der „Schulz-Hype“werde nicht anhalten, Kramp-Karrenbaue­r haben eben einfach nur Pech mit dem Wahltermin. Falls die Ministerpr­äsidentin abgewählt wird, will sie sich aus der Landespoli­tik zurückzieh­en – ob sie dann in Berlin Karriere macht, ist ungewiss.

Oskar Lafontaine: Er regierte 13 Jahre als Ministerpr­äsident im Saarland. Für Lafontaine, der als SPD-Chef hinwarf und die Linksparte­i mitgründet­e, könnte die Landtagswa­hl zur späten Versöhnung mit den Sozialdemo­kraten werden: Im Saarland will der 73-Jährige das erste rotrote oder rot-rot-grüne Bündnis in Westdeutsc­hland schmieden und der SPD zur Rückkehr an die Macht verhelfen. „Der Regierungs­wechsel ist greifbar nahe“, sagt Lafontaine, der kein Ministeram­t anstrebt. Es ist wohl Lafontaine­s letzte Chance: 2012 hatte die Linke im Saarland 16,1 Prozent eingefahre­n, diesmal werden 12 Prozent erwartet.

Simone Peter: Für die GrünenBund­esvorsitze­nde und ihre Partei wird die Wahl zur Zitterpart­ie. Womöglich verpassen die Grünen den Sprung über die Fünfprozen­thürde. Im Saarland ist die Partei traditione­ll schwach, aber diesmal hat auch der Rückenwind aus Berlin gefehlt. Gegen die Schulz-Euphorie im linken Milieu kommen die Grünen nicht an. Für die 51-jährige Peter ist das doppelt bitter: Sie hat ihre politische Basis im Saarland, hier war sie einst Umweltmini­sterin.

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Bundeskanz­lerin Angela Merkel (l.) und Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (beide CDU) im Saar-Wahlkampf. Foto: imago
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Linke-Kandidat Oskar La- Simone Peter, Chefin der fontaine Foto: Reuters Grünen Foto: imago
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SPD-Chef Martin Schulz Foto: dpa
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