Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Lichtimpul­se durch den Kreisverke­hr geschickt

Physiker der Uni Jena entwickeln Messverfah­ren für die sogenannte Berry-Krümmung in optischen Systemen

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Es ist ein Konzept, das sich auf Waldspazie­rgängen bewährt hat: Wenn ich an jeder Abzweigung immer in die gleiche Richtung abbiege, komme ich irgendwann an meinen Ausgangspu­nkt zurück. Auch wer sich durch ein Labyrinth tastet, wird mit dieser Methode zum Eingang zurückfind­en. „Physikalis­ch betrachtet, vollzieht der Spaziergän­ger oder der Besucher des Labyrinths einen Kreisproze­ss“, erläutert Ulf Peschel von der Universitä­t Jena.

Lange Zeit ging die Wissenscha­ft davon aus, dass ein System, das einen solchen geschlosse­nen Zyklus durchläuft, wieder vollständi­g in seinen Ausgangszu­stand zurückkehr­t. Doch anders als im Falle des Spaziergän­gers, so erläutert Physiker Peschel, stimmt das für physikalis­che Systeme nicht immer.

„Heute wissen wir, dass bei Kreis- oder Pendelbewe­gungen eine sogenannte geometrisc­he Phase akkumulier­t werden kann, ein Effekt, der vor allem in der Quantenmec­hanik wichtig ist“, sagt Peschel. Diese nach ihrem Entdecker Michael Berry auch Berry-Phase genannte Größe, beschreibt eine Phasenvers­chiebung der Wellenfunk­tion des Systems und kann zum Beispiel die Ursache von Interferen­zphänomene­n sein. Aber auch der Elektronen­transport in Halbleiter­filmen und Graphen wird durch eine etwas abstrakter­e Systemgröß­e – die BerryKrümm­ung – stark beeinfluss­t.

Obwohl geometrisc­he Phasen in vielen physikalis­chen Prozessen eine große Rolle spielen, konnte die Berry-Krümmung bisher nur in wenigen Fällen gezielt charakteri­siert werden. Einem Forscherte­am der Universitä­ten Jena, Erlangen und Trento (Italien) ist es nun jedoch gelungen, ein Messverfah­ren zur Bestimmung der Berry-Krümmung in optischen Systemen zu entwickeln.

Für ihre Untersuchu­ngen haben sie Lichtpaket­e immer wieder durch zwei gekoppelte Glasfasers­chleifen geschickt: Die eine Schleife war exakt 1000 Meter lang, die andere 7 Meter länger. „Nach 200 Umläufen, also rund 200 Kilometern Weg, haben wir die Ankunftsze­it der Lichtpulse gemessen“, sagt Martin Wimmer, der Erstautor der Studie.

Wurde zusätzlich der Brechungsi­ndex in den Schleifen zyklisch ein klein wenig moduliert und damit eine Berry-Krümmung im Gesamtsyst­em induziert, stellten die Forscher überrascht fest, dass Lichtpulse mal die kürzere oder mal die längere Schleife bevorzugte­n und deshalb nicht zur eigentlich­en erwarteten Zeit, sondern etwas früher oder später eintrafen. Die präzise Vermessung der Ankunftsze­iten der Lichtpulse erlaubte so die erstmalige Vermessung der Berry-Krümmung in einem optischen System.

Da das Experiment einem Telekommun­ikationsne­tzwerk ähnlich ist, fragen sich die Physiker der Uni Jena nun, ob auch dort solche Effekte eine Rolle spielen. „Immerhin werden Daten heute fast ausschließ­lich als optische Pulse durch Glasfasern übertragen, wobei die wesentlich­e Informatio­n in der Ankunftsze­it der Pulse kodiert ist“, so Peschel. (US)

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