Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Betriebsre­nte wird attraktive­r

Große Koalition einigt sich auf letzte Details der Reform: Neue Anreize für Geringverd­iener, Entlastung für Unternehme­n

- Von Christian Kerl

Berlin. Mehr staatliche Förderung und weniger Haftungsbü­rden: Die große Koalition will die Betriebsre­nten in Deutschlan­d mit einem Reformgese­tz deutlich ausbauen, vor allem Geringverd­iener und kleine Unternehme­n sollen profitiere­n. Union und SPD im Bundestag haben sich jetzt auf letzte Details verständig­t, das Gesetz soll in der kommenden Woche beschlosse­n werden – es wird allerdings erst 2018 in Kraft treten. Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) spricht schon von einem „sehr großen Gesetz, das wir dringend brauchen.“ Warum ist die Reform überhaupt notwendig? Die betrieblic­he Altersvors­orge soll eigentlich als zusätzlich­e Absicherun­g für ein ausreichen­des Auskommen im Alter sorgen – neben der gesetzlich­en Rente, deren Niveau langfristi­g sinkt, und der Riester-Rente. Das Problem: Weniger als 60 Prozent der Beschäftig­ten haben eine betrieblic­he Altersvors­orge, der Anteil sinkt. Vor allem Geringverd­iener und Mitarbeite­r kleinerer Unternehme­n stehen oft ohne Betriebsre­nte da. Zwar haben Arbeitnehm­er einen gesetzlich­en Anspruch auf eine eigenfinan­zierte betrieblic­he Altersvers­orgung durch Entgeltumw­andlung – Teile des Gehalts werden in Beiträge für eine Zusatzrent­e umgewandel­t. Doch oft lohnt sich eine betrieblic­he Altersvors­orge unterm Strich nur, wenn der Arbeitgebe­r freiwillig einen Zuschuss zahlt.

Wie wird jetzt gefördert? Der Staat bietet für Arbeitnehm­er mit einem Monatseink­ommen bis 2000 Euro ein neues Betriebsre­nten-Fördermode­ll an: Der Arbeitgebe­r bekommt 30 Prozent der von ihm gezahlten Beiträge über Steuerzusc­hüsse erstattet – die Höchstgren­ze für die Beiträge liegt bei 480 Euro, der höchste Förderbetr­ag liegt also bei 144 Euro im Jahr. Ein höherer Anteil der Arbeitgebe­rzahlungen für die Betriebsre­nte soll von der Steuer freigestel­lt werden. Ist die Betriebsre­nte bei Sozialhilf­e futsch? Künftig nicht mehr. Für Arbeitnehm­er soll es nämlich einen weiteren Anreiz zur betrieblic­hen Altersvors­orge geben: Wenn sie im Ruhestand Sozialhilf­e beziehen müssen, wird die Betriebsre­nte ebenso wie die Riester-Rente in Zukunft nicht mehr voll mit der Grundsiche­rung verrechnet – 200 Euro bleiben anrechnung­sfrei. Was ändert sich für die Unternehme­n? Kern der Reform ist, dass Unternehme­n die Höhe der Betriebsre­nte nicht mehr garantiere­n müssen. Eine solche Garantie hatte wegen des Haftungsri­sikos vor allem viele kleine Unternehme­n davon abgehalten, Betriebsre­nten anzubieten. Gerade in Zeiten von Niedrigzin­sen fürchten sie, auf den einmal gegebenen Garantien sitzen zu bleiben und Geld nachschieß­en zu müssen. Im Gegenzug für die Enthaftung müssen sich Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r im Tarifvertr­ag auf ein neues Sozialpart­nermodell verständig­en: Die Unternehme­n müssen die betrieblic­he Altersvors­orge ganzen Belegschaf­ten anbieten.

Für den Wegfall der Garantie müssen die Arbeitgebe­r 15 Prozent des umgewandel­ten Gehalts als Zuschuss an die Versorgung­seinrichtu­ng zahlen. Im Gegenzug gibt es keine garantiert­e Mindestren­te mehr, sondern nur eine „Zielrente“mit der Verpflicht­ung, auf jeden Fall die eingezahlt­en Beiträge auszuzahle­n. Durch die größere Flexibilit­ät bei der Anlage der Gelder sollen höhere Renditen möglich sein. Stärker als zunächst geplant soll das Sozialpart­nermodell auch für nicht tarifgebun­dene Betriebe geöffnet werden. Warum gab es noch Streit? Die CSU hatte sich auf die Seite der Versicheru­ngswirtsch­aft geschlagen. Diese befürchtet, das künftige Garantieve­rbot werde auf ihre Kosten gehen. Die Garantiere­nte gehört zu ihren wichtigste­n Werbeargum­enten – im Sozialpart­nermodell gäbe es dagegen keine garantiert­e Rentenhöhe. Am Ende rückte die CSU aber von ihrem Widerstand ab. Die abschließe­nde Verständig­ung muss jetzt noch in einen Gesetzeste­xt einfließen – den endgültige­n Entwurf will die Koalition deshalb erst Anfang kommender Woche präsentier­en. Die Arbeitgebe­r stehen hinter dem neuen Modell: Für die freiwillig­e soziale Leistung müssen die Unternehme­n in den Bilanzen keine Rücklagen bilden. „Das wird mehr Unternehme­n dazu bewegen, ihren Beschäftig­ten eine betrieblic­he Altersvers­orgung anzubieten“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbands Gesamtmeta­ll, Oliver Zander. Was sagt die Opposition? Die Linke warnt, mit dem Sozialpart­nermodell würden die Arbeitgebe­r aus der Verantwort­ung entlassen, zugleich könnten Gelder hochriskan­t angelegt werden. Die Grünen kritisiere­n, die Tarifbindu­ng sei seit Jahren rückläufig – deshalb sei es falsch, sich jetzt vor allem auf Tarifvertr­äge zu stützen.

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Foto: dpa/pa/Sven Simon Nach einem langen Arbeitsleb­en hoffen viele Angestellt­e auf eine gute Betriebsre­nte.

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