Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Die Rückkehr der Krise
Die Politik hat ein entsetzlich kurzes Gedächtnis. Vor nicht einmal zwei Jahren taumelte Europa wie ein Schlafwandler in die Flüchtlingskrise. Über Monate hatten Regierungschefs und Öffentlichkeit ausgeblendet, was sich im Südosten des Kontinents zusammenbraute. Während aufgeregt der Grexit debattiert wurde, übersah man die Lage in den Flüchtlingscamps in Jordanien und der Türkei. Immer mehr Menschen machten sich auf den Weg nach Mitteleuropa. Die Folgen sind bekannt.
Nun spitzt sich die Lage erneut zu – dieses Mal nicht in der Ägäis, sondern in Italien. Immer mehr Menschen fliehen aus Libyen nach Europa, und der Norden verschließt die Augen. Immerhin durchbricht der SPDKandidat Martin Schulz die fatale Strategie des „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“.
So wenig, wie die Flüchtlingskrise 2015 ein griechisches Problem blieb, so wenig wird die Krise 2017 ein italienisches Problem bleiben. Die Regierung in Rom benötigt Hilfe. Europa aber ist weder willig zur Hilfe, noch überhaupt fähig zur Einigung.
Im Vergleich zu 2015 hat sich die Lage sogar noch zugespitzt: Die Bevölkerung lehnt weitere Zuwanderung mehrheitlich ab. Zudem haben die drei Träger der Willkommenskultur, Deutschland, Schweden und Österreich, ihre Politik geändert.
Europa muss Italien helfen und die Flüchtlinge verteilen. Zugleich sollte die Union eine Migrationspolitik definieren, die realistisch ist. Die alte Idee von Otto Schily von Aufnahmelagern in Afrika gehört genauso dazu wie ein „Marshall-Plan“für Afrika. Europa hat die Verpflichtung, den Menschen vor Ort zu helfen. Europa fehlt aber die innere Kraft, jedes Jahr Hunderttausende aufzunehmen.