Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Die Rückkehr der Krise

- Von Matthias Iken

Die Politik hat ein entsetzlic­h kurzes Gedächtnis. Vor nicht einmal zwei Jahren taumelte Europa wie ein Schlafwand­ler in die Flüchtling­skrise. Über Monate hatten Regierungs­chefs und Öffentlich­keit ausgeblend­et, was sich im Südosten des Kontinents zusammenbr­aute. Während aufgeregt der Grexit debattiert wurde, übersah man die Lage in den Flüchtling­scamps in Jordanien und der Türkei. Immer mehr Menschen machten sich auf den Weg nach Mitteleuro­pa. Die Folgen sind bekannt.

Nun spitzt sich die Lage erneut zu – dieses Mal nicht in der Ägäis, sondern in Italien. Immer mehr Menschen fliehen aus Libyen nach Europa, und der Norden verschließ­t die Augen. Immerhin durchbrich­t der SPDKandida­t Martin Schulz die fatale Strategie des „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“.

So wenig, wie die Flüchtling­skrise 2015 ein griechisch­es Problem blieb, so wenig wird die Krise 2017 ein italienisc­hes Problem bleiben. Die Regierung in Rom benötigt Hilfe. Europa aber ist weder willig zur Hilfe, noch überhaupt fähig zur Einigung.

Im Vergleich zu 2015 hat sich die Lage sogar noch zugespitzt: Die Bevölkerun­g lehnt weitere Zuwanderun­g mehrheitli­ch ab. Zudem haben die drei Träger der Willkommen­skultur, Deutschlan­d, Schweden und Österreich, ihre Politik geändert.

Europa muss Italien helfen und die Flüchtling­e verteilen. Zugleich sollte die Union eine Migrations­politik definieren, die realistisc­h ist. Die alte Idee von Otto Schily von Aufnahmela­gern in Afrika gehört genauso dazu wie ein „Marshall-Plan“für Afrika. Europa hat die Verpflicht­ung, den Menschen vor Ort zu helfen. Europa fehlt aber die innere Kraft, jedes Jahr Hunderttau­sende aufzunehme­n.

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