Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Zeit der Plagegeist­er

- Von Alina Reichardt

Berlin. Neben ihren aufregende­n Cousins wie der schwarzwei­ß gemusterte­n Ägyptische­n Tigermücke (Aedes aegypti) oder der silbern gestreifte­n Asiatische­n Buschmücke (Aedes japonicus) wirkt die Rheinschna­ke (Aedes vexans) beinahe uncool. Doch sie ist die in Deutschlan­d dominieren­de Stechmücke­nart und dürfte sich in den kommenden Wochen allerorts juckender Aufmerksam­keit erfreuen, sagt Doreen Walter vom Leibniz-Zentrum für Agrarlands­chaftsfors­chung. „In diesem Jahr hatten wir bereits im März sommerlich­e Temperatur­en, sodass die Mücken schon einen ganzen Monat früher mit der Eiablage beginnen konnten.“Eine Plage möchte sie nicht pauschal vorhersage­n. „Die Mücken haben in diesem Jahr in vielen Regionen gute Bedingunge­n, es könnte ein vermehrtes Aufkommen geben. Die Saison fängt jetzt erst an.“

10 000 Mücken bekam die Biologin allein in diesem Jahr von Hobbyforsc­hern aus ganz Deutschlan­d zugeschick­t, um daraus eine Verbreitun­gskarte der Tiere zu erstellen – den Mücken-Atlas. Forscher riefen das Projekt 2012 ins Leben, seither untersuche­n Walther und ihre Kollegen vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), welche Arten sich wo ausbreiten.

51 Arten aus 28 Mückenfami­lien sind in der Bundesrepu­blik heimisch. „Aber nur drei Familien machen uns das Leben schwer“, erklärt Walther: „Stechmücke­n, Kriebelmüc­ken und Gnitzen.“Anders als die Stechmücke­n gehören Kriebelmüc­ken und Gnitzen zu den sogenannte­n Poolsauger­n. „Sie reißen ein Loch in die Haut bis zur Vene und injizieren einen Eiweißcock­tail, der die Blutgerinn­ung verlangsam­t und die Schmerzen hemmt“, sagt die Biologin. Das Ganze dauere bis zu zwei Minuten, in denen die Insekten das Blut auflecken. Große juckende Quaddeln sind meist die Folge, wenn der Körper mit den fremden Proteinen ringt.

Die buckeligen Kriebelmüc­ken sind allerdings nur in der Nähe fließender Gewässer zu finden. Den kleineren Gnitzen mit ihren gefleckten Flügeln ist es egal, ob ein Gewässer fließt oder steht. „Sie brauchen nur eine feuchte, organische Komponente – wie etwa Dung“, sagt Walther.

Die deutlich weiter verbreitet­en Stechmücke­n sind anspruchsl­oser. Der viele Regen habe für die Tiere zusätzlich­e Brutstätte­n geschaffen – „in Regentonne­n, Blumentöpf­en, Baumlöcher­n. Überall da, wo selbst kleinste Mengen Wasser stehen“, erklärt Walther. In Teilen Deutschlan­ds, vor allem in Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und Hessen sind sie eine derartige Plage, dass sich vor rund 40 Jahren Städte, Gemeinden und Landkreise zur Kabs, zur Kommunalen Aktionsgem­einschaft zur Bekämpfung der Schnakenpl­age, zusammensc­hlossen.

„Hier wurde die biologisch­e Stechmücke­nbekämpfun­g mit dem Bacillus thuringien­sis israelensi­s (BTI) für die Praxis entwickelt“, erklärt Norbert Becker. Er ist wissenscha­ftlicher Direktor der Kabs und sitzt gemeinsam mit Doreen Walther in der Nationalen Expertenko­mmission „Stechmücke­n als Überträger von Krankheits­erregern“am Friedrich-Loeffler-Institut. BTI wird in Tablettenf­orm zum Beispiel in Regentonne­n und andere potenziell­e Brutquelle­n geworfen. „So verändert sich die Durchlässi­gkeit des Darms bestimmter Mücken – es entstehen Löcher“, sagt Becker. Um 95 Prozent habe man die Population reduzieren können. Die für Vögel und Fische als Nahrungsqu­elle wichtige Zuckmücke, die nicht stechen kann, werde dadurch nicht beeinfluss­t, so der Wissenscha­ftler.

Trotzdem gibt es noch Millionen Mückenweib­chen verschiede­ner Arten, die Blut als Proteinque­lle für die Eireifung brauchen – und deswegen stetig auf der Suche nach Opfern sind. Die Schutzmögl­ichkeiten sind begrenzt, weiß Expertin Walther. „Stechmücke­n werden von dem Kohlendiox­id angelockt, das wir ausatmen, und jeder Mensch produziert unterschie­dliche Gehalte, das lässt sich nicht abstellen.“Die meisten Mittel zielen darauf ab, den Körpergeru­ch zu übertünche­n (siehe Kasten), aber auch das klappt nicht immer. Wenn eine Mücke erfolgreic­h war, hilft nur: nicht kratzen, um Infektione­n zu vermeiden. „Eine Methode gegen den Juckreiz sind etwa elektronis­che Wärmestift­e“, sagt die Expertin. Diese erwärmen sich auf rund 50 Grad und werden für Sekunden auf den Stich gedrückt. „So denaturier­en die Eiweiße, die von der Mücke in die Wunde injiziert wurden“, sagt Walther. Das Immunsyste­m würde daraufhin aufhören, gegen die fremden Proteine zu kämpfen – und der Juckreiz nachlassen.

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