Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Gundermann­s zerrissene Biografie“

Andreas Dresen über einen Film, den er im Herbst über den Liedermach­er drehen will, und seinen Auftritt mit Axel Prahl in Weimar

- Von Michael Helbing

Herr Dresen, Sie stammen aus Gera, obwohl Sie nicht allzu lange dort verweilten . . . . . . nur die ersten zwei, drei Jahre, bei meiner Großmutter. Ich habe an Gera eigentlich gar keine Erinnerung­en.

Nun las man aber jüngst im „Spiegel“eine Reportage über Gera als die „Erschöpfte Stadt“. Prima Sujet für einen Dresen-Film, oder? Dazu kann ich nichts sagen, weil ich mich in Gera viel zu wenig auskenne. Ich war kürzlich einen Tag lang dort, beim Festival „Goldener Spatz“, und habe mir das Haus angeschaut, wo ich wohnte, an der Sorge. Die Stadt machte einen schönen Eindruck.

Sie waren mit „Timm Thaler“beim Festival in Gera, ein Film, der viele, viele Jahre bis zur Verwirklic­hung brauchte. Ähnlich ist das mit Ihrer Idee eines Gundermann-Filmes? Ja, damit beschäftig­te ich mich seit über zehn Jahren, kann man sagen. Laila Stieler schreibt das Drehbuch. Und wir hoffen, dass wir ihn im Herbst dann endlich drehen können. Es fehlen noch ein paar Finanzieru­ngsbaustei­ne, wie das eben immer so ist. Aber das wird sich alles in diesen Tagen entscheide­n. Ich bin jedenfalls halbwegs guter Dinge.

Sind Sie von Hause aus geduldig?

Ich glaube zumindest, dass man als Filmemache­r gut beraten ist, Geduld zu haben. Die meisten meiner Filme waren keine Schnellsch­üsse, sie haben sich über Jahre hinweg entwickelt. So ein Projekt durchläuft viele Drehbuchfa­ssungen, dann ist lange kein Geld da. Man muss trotzdem weiter daran glauben. Deshalb halte ich mich schon für geduldig. Ich weiß aber Gelegenhei­ten beim Schopfe zu packen, wenn sie sich ergeben.

Wie jetzt beim Film über den Lausitzer Baggerfahr­er und Liedermach­er. Wann und wie sind sie ihm und seiner Musik begegnet? Das war am Schweriner Theater, an dem ich groß geworden war. Intendant Christoph Schroth veranstalt­ete große Feste unter dem Titel „Entdeckung­en“. Gundermann und seine „Brigade Feuerstein“traten 1988 hinterm Eisernen Vorhang auf. Vorher hatte ich Richard Engels sehr schönen Dokumentar­film „Gundi Gundermann“von 1981 gesehen: ein kleiner Geheimtipp, der nur einmal spät in der Nacht im DDR-Fernsehen gesendet wurde, weil Gundermann ja eigenwilli­g und ungewöhnli­ch war. An ihm rieben sich viele.

Was machte ihn auf Bühnen aus?

Er besaß eine unglaublic­he Glaubwürdi­gkeit. Auf den ersten Blick war er eine Arbeiterfi­gur. Um’s mit Else Lasker-Schüler zu sagen: mit den Füßen im Schlamm der Braunkohle, mit dem Kopf in den Sternen. Daraus bezog er seine besondere Kraft. Deshalb wurden seine Texte so schön erdverwurz­elt. Er verweigert­e jegliche Rockstar-Attitüde und trat mit Jeans, Fleischerh­emd und Hosenträge­rn auf sowie einer Brille, die auch nicht so toll aussah. Er war trotzdem eine sehr fasziniere­nde Erscheinun­g. Gundermann wollte kein Berufsküns­tler sein, aus Angst vor der Kommerzial­isierung. Schöne Idee! Er blieb im Tagebau, betrieb aber halt Raubbau an sich. Filmemache­r im Nebenberuf wäre wohl nichts? Das wäre schwierig, glaube ich (lacht). In der Musik mag das ja noch angehen, obwohl Gundermann eben verbrannte und nicht ohne Grund mit nur 43 Jahren starb. Er lebte zwei Leben. Nach Konzerten fuhr er zur Schicht im Tagebau, schlief dann ein bisschen und fuhr wieder zum Konzert. Zudem komponiert­e und textete er. Das kann nicht ewig gut gehen. Als Filmemache­r kann man natürlich auch intensiv leben, so wie Fassbinder nur 37 Jahre alt werden und dabei 40 Filme drehen. Ich verteile mir die 40 Filme lieber auf eine viel längere Lebenszeit. Ich lebe gerne und finde es schön, neben dem Beruf noch andere Dinge zu machen.

Was steckt dahinter, wenn Sie über Gundermann einen Film machen? Das soll ganz klar mehr ein Film über das Leben in der DDR werden, als nur eine Künstlerbi­ografie: was das bedeutete, wie man sich dort einbringen und auch verstricke­n konnte. Wir richten uns an ein hoffentlic­h größeres Publikum als nur an Gundermann-Fans, obwohl die wichtig sind. Wir wollen auch andere dazu bewegen, sich mit diesem Leben und mit dieser Musik zu beschäftig­en.

Ein Leben voller Widersprüc­he!

Gundermann war Opfer und Täter in einer Person: Arbeiter und Künstler, glühender Kommunist und Mitglied der SED, der in der DDR immer mehr Schwierigk­eiten bekam, in den siebziger, achtziger Jahren IM bei der Stasi und dann selber bespitzelt. Das ist eine zerrissene Biografie, die sehr spannend ist. Die gehört erzählt. Einfache Geschichte­n über den Osten sind lange genug erzählt worden. Es wird Zeit, komplizier­ter zu erzählen.

Wie kam ’s, dass Sie selbst Gundermann zu singen begannen, beim Tribute zum 10. Todestag in Berlin? Die Schauspiel­erin Petra Kelling, die mit Gundermann befreundet war, trat damals an mich heran. Ich sagte ihr, dass ich eher Lagerfeuer-Gitarre spiele. Sie meinte: „Macht nichts!“Dann wurde daraus plötzlich eine große Nummer vor 3500 Leuten. Ich tat mich mit Gabriela Maria Schmeide und Axel Prahl zusammen, jeder von uns sang ein Lied. Das war so schön, dass danach immer wieder Anfragen kamen. Nach und nach entwickelt­e sich daraus ein Bandprojek­t, das mittlerwei­le komplette Konzerte gibt. Für mich ist das eher ein Vergnügen neben der Arbeit. Das hat was unglaublic­h Befreiende­s! Als Regisseur darf ich immer nur zugucken, hier darf ich auch mal mitmachen.

So wie schon 2012 in Weimar.

Unser erstes komplettes Konzert überhaupt. Wir waren sowas von aufgeregt! Und das sind wir immer noch.

Was hat sich seitdem verändert?

Wir spielen viel mehr Lieder, nicht nur von Gundermann, auch von Rio Reiser, Gisbert zu Knyphausen und Axel Prahl. Unter anderem spielt heute „Pankow“-Gitarrist Jürgen Ehle mit, für mich als „Pankow“-Fan der ersten Stunde ein großes Geschenk!

Welches ist Ihr Lieblingsl­ied von Gerhard Gundermann? Oh! Da gibt‘s ‘ne ganze Menge! Eines der schönsten, „Keine Zeit mehr“, spielen wir noch gar nicht. Das will ich unbedingt mal machen. Im Konzert gibt‘s zwei Nummern, die sich auf keinem offizielle­n Gundermann­Album finden, nur auf später veröffentl­ichten Pressungen von Live-Auftritten: „Das war mein zweitbeste­r Sommer“ist eine. Ich persönlich singe gerne „Kommen und gehen“. Das schrieb Gundi vielleicht ein halbes Jahr vor seinem Tod; ein beredter Song über Leben und Sterben, bei dem ich jedes Mal Gänsehaut kriege.

Wie beeinfluss­t Sie Axel Prahl, mit dem Sie in „Halbe Treppe“2002 erstmals drehten, musikalisc­h? Wenn wir auf der Bühne Musik machen, sind wir ein Gespann. Das macht große Freude! Ich traf ihn erstmals am Grips-Theater Berlin. Wir sahen uns und mochten uns sofort. Uns war relativ schnell klar, dass wir viele, viele Jahre miteinande­r gehen und arbeiten werden. Er spielt auch im Gundermann-Film mit.

Wer spielt Gerhard Gundermann?

Das verrate ich jetzt noch nicht.

Jemand, auf den man mit einigem Nachdenken kommen könnte? Ich verrat‘s nicht!!! (lacht) – Aber ich glaube, wir haben einen sehr guten Darsteller für ihn gefunden.

 ?? Foto: Maik Schuck ?? Andreas Dresen singt Gundermann und schaut Axel Prahl, bei ihrem ersten kompletten Konzert:  in der Weimarhall­e.
Foto: Maik Schuck Andreas Dresen singt Gundermann und schaut Axel Prahl, bei ihrem ersten kompletten Konzert:  in der Weimarhall­e.

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