Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Allerhöchste Spielkultur
John Scofield setzt im Arena-Konzert punktgenau die Akzente und hält den mächtigen Drive am Laufen
Jena. Auf John Scofields Auftritt in der Kulturarena durfte man gespannt sein. Und er enttäuschte nicht im mit gut tausend Besuchern ordentlich gefüllten Rund vor dem Jenaer Theaterhaus. Scofield besitzt ein extrem sicheres Gespür für weit ausgreifende Improvisationslinien, die zwischen Blues, Bebop, Funk und Rock changieren. Er hat einen eigenen und wiedererkennbaren Sound entwickelt und spielt rhythmisch enorm elastisch, wobei sein Ton von schneidender Schärfe ist. Aus dem Moment heraus entwickelt er seine tragfähige Fantasie in langen solistischen Girlanden. Enorm stilsicher, ist er weit mehr als nur ein versierter und in seinem Gruppenspiel ideenpraller Musiker. Seine Läufe sind bei aller Vorhersagbarkeit voller die Entwicklung der Ideen vorantreibender frappierender Finten. Seine weit ausholenden Chorusse haben eine überzeugende Balance voller logischer Wendungen, die den unnachahmlichen Fluss steigern und stützen.
So ist er auch in Jena der unbestrittene Boss seines Überjam Quartetts. Schlagzeuger Dennis Chambers, die zweite Jazz-Legende, die man an diesem milden Abend erleben darf, wird zwar immer mal wieder in kurzen Solopassagen gefeatured, demonstriert aber vor allem sein oft gepriesenes enorm gruppendienliches Drumming, das seinen Druck auch aus der verdoppelten Bass Drum bezieht. Er setzt Akzente punktgenau und hält den mächtigen Drive am Laufen, über dem Chef Scofield abheben kann. Rock-Bassist Andy Hess und Gitarrist Avi Bortnick, der auch Samples und gelegentliche KeyboardVersatzstücke ein wenig aufgesetzt hinzufügt, komplettieren die Überjam-Crew, bleiben aber doch Sekundanten.
Eigentlich ist das die unschlagbare Besetzung: zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Entspannt und wie zurückgelehnt entwickelt John Scofield mit ihr seine ziseliert groovenden Gespinste. Keinen Ton spielt er zuviel, doch jeder sitzt und geht in die Beine. Irgendwie ist das auch eine Abrechnung mit der Mär, ein Jazzmusiker müsse sich über hoch komplexe, virtuos verästelte Solos definieren. Scofield umtänzelt viel mehr seine Essenzen. Von Miles Davis hat er gelernt, dass man auf den Punkt kommen muss. Den kann man ja dann umspielen, drehen und wenden. So entsteht positive Musik auf felsenfesten Rhythmen.
So entsteht auch in Jena zugeneigte Bewegung im Publikum. Euphorie entsteht nicht. Ohne Wenn und Aber spult Scofield sein südstaatengrundiertes Programm ab, brillant, drängend und in allerhöchster Spielkultur.