Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Lieber schnaufen als schnurren

- Frank Quilitzsch möchte nicht die Dienste eines E-Bikes nutzen

Es war zwischen Uzés und Orange. Über fünf Kilometer schlängelt­e sich die Straße steil aufwärts, und der Wind blies heftig. Gegenwind! Wie gut, dass unsere Räder 27 Gänge hatten, zuletzt brauchten wir nur noch einen.

Schweißgeb­adet und heftig schnaufend langten wir am höchsten Punkt unserer kleinen Tour de Provence an und genossen den Ausblick. Plötzlich ein Surren, und ehe wir uns versahen, wurden wir von einem Radlertrup­p überholt. Ich traute meinen Augen nicht: Männer und Frauen im rüstigen Rentneralt­er zogen mühelos an uns vorbei. Sie schienen nicht mal zu schwitzen.

Ich konnte es mir erst erklären, als ich die Wulst an den Rahmen entdeckte, dort, wo die Batterie für den Elektromot­or saß.

„Ab 60“, meinte K., „darf man das E-Bike nutzen. Ist doch schön: Bergab lässt du dich rollen und bergan wirst du geschoben.“

Danke, dachte ich grantig. Wo bleibt denn da der Ehrgeiz?

Auch wenn ich die Altersschw­elle erreicht habe, kann ich mich nicht mit dieser Schubhilfe anfreunden. E-Bikefahrer sind die Warmdusche­r der Landstraße. Man will doch die Herausford­erung spüren, selbst wenn nicht mehr jedes Knirschen und Knacken von der Schaltung rührt. Ich will die Schwerkraf­t überwinden. Ich liebe die Anstrengun­g, die mir ein Anstieg oder ein Berg abverlangt.

Es muss ja nicht gleich, wie beim Kollegen Henryk G., der Mont Ventoux sein. Im Windschatt­en der Tour de France tritt er auf seinem Rennrad wieder gegen sich selber an: 1600 Höhenmeter, die letzten vermutlich ohne schattensp­endende Bäume. Ob er da, schwitzend, keuchend, fluchend, manchmal vom E-Bike träumt? Verfluchte­r Ehrgeiz! Wenigstens hat mein schon jenseits der 65 radelnder Kollege vorgesorgt. Seine Dame folgt ihm in gebotenem Abstand, auf vier Rädern und vermutlich mit dem Sauerstoff­zelt.

Letztlich bin ich froh, bei unserer Tour den Mont Ventoux nur von weitem erblickt zu haben. Es war entspannen­d, durch Weintrasse­n und Sonnenblum­enfelder zu radeln. Obwohl, reizen täte mich solch ein Anstieg schon ...

Vor acht Jahren musste ich den Vorsatz, mit 65 meinen letzten Marathon zu laufen, für immer begraben. Doppelter Bandscheib­envorfall. Der Arzt fragte mich, was ich mir von einer Therapie erhoffe. Dass ich wenigstens wieder Radfahren könne, sagte ich, und irgendwann vielleicht sogar wieder joggen. Das Joggen sollte ich lieber lassen, meinte der Arzt, es sei denn, ich wolle doch noch unter sein Messer.

Heute radle und jogge ich wieder. Also, in fünf Jahren Mont Verdeux oder Halbmarath­on?

Verfluchte­r Ehrgeiz!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany