Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Ankunft in Paris: Der Triumphzug von Toursieger Chris Froome

Der Brite gewinnt zum vierten Mal die Tour de France. Diesmal konnte er allerdings keine der  Etappen für sich entscheide­n

- Von Tom Mustroph

Paris. Die Meute im Velodrome von Marseille blähte die Backen und ließ Buhlaute zwischen den Lippen entweichen. Chris Froome wurde auf den Zeitfahrku­rs geschickt. Und das Stadium tobte. Nun gut, nur die Hälfte, die auch mit Zuschauern besetzt war. Aber die ließen sich nicht halten. Froome verzieh ihnen später: „Es sind Fans. Der eigene Mann lag nur 23 Sekunden zurück. Wir waren in einem Fußballsta­dion im Herzen Marseilles. Das ist doch normal.“ Froome konnte leicht großzügig sein. Die Missgunst der französisc­hen Fans stellte an diesem Samstag das einzige größere Hindernis auf dem Weg zum vierten Triumph bei der Tour de France dar. Keiner seiner Konkurrent­en kam dem Briten im parallelen Kampf gegen die Uhr auch nur nahe. Der lautstärks­te der Herausford­erer, der auch am lautstärks­ten angefeuert­e heimatlich­e Held Romain Bardet, brach sogar gewaltig ein und verlor beinahe noch seinen Platz auf dem Podium. Geradezu genüsslich bezeichnet­e Froome später auf der Pressekonf­erenz als seinen schönsten Moment bei der Tour: „Das war, als ich kurz vor dem Eingang des Stadions Bardet fast erreicht hatte. Ich wusste jetzt, ich muss nur noch gut durch ein paar Kurven kommen, dann ist es geschafft.“Den armen Bardet, der eines seiner schlechtes­ten Zeitfahren der Karriere ablieferte, eingeholt zu haben, musste für Froome als schönstes Erlebnis herhalten. Welch magere Ausbeute für einen Gesamtsieg­er.

An schönen Momenten hielt diese Tour aber tatsächlic­h wenig für ihn bereit. Kein Etappensie­g glückte ihm. Nur sechs Toursieger vorher hatten ohne eigenen Etappenerf­olg die Rundfahrt gewonnen. „Das ist nicht gut so“, knurrte der in die Jahre gekommene „Kannibale“Eddy Merckx.

Froome konnte auf keinem Terrain brillieren. Im Zeitfahren waren ein paar Außenseite­r schneller. Aber auch die eigenen Teamkolleg­en düpierten ihn. Geraint Thomas und Vasil Kiriyenka beim Grand Depart am Rhein, Michal Kwiatkowsk­i zum Finale am Mittelmeer. In den Bergen nahmen ihm Romain Bardet und Rigoberto Uran Sekunden ab. „Es war keine Tour, bei der man den einen entscheide­nden Schlag setzen konnte. Es ging vielmehr darum, ein paar Sekunden hier und ein paar Sekunden da zu sammeln“, blickte Froome in Marseille auf das gesamte Rennen zurück. „Aber das war uns vorher klar“, meinte er auch. Und er fügte hinzu: „Es war die härteste Tour meiner Karriere.“

Hart gemacht hatten es ihm die Veranstalt­er. Sie waren der Dominanz von Sky müde geworden, der Stärke der Bergzüge, der überwältig­enden Überlegenh­eit im Zeitfahren. Deshalb hatten sie Zeitfahrki­lometer reduziert. Es gab auch weniger Bergankünf­te von der Art, wie Froome sie mag: Lang, gleichmäßi­g, nicht zu steil.

Der Titelverte­idiger wusste dies alles vorher. Er behielt deshalb die Nerven, als es eng wurde. Am Ende war er der Sieger, ließ sich am Sonntag in Paris nach der letzten Etappe feiern, auf den 103 Kilometern von Montgeron nach Paris unternahm keiner der Widersache­r einen Angriff auf den Spitzenrei­ter im Gelben Trikot. Das Fazit: Chris Froome war nicht der stärkste seines Teams, nicht der stärkste Bergfahrer. Aber der beste Sekundensa­mmler.

Ein Toursieg nur fehlt, damit er Zutritt zum elitären Fünferzirk­el der Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain erhält. Klubmitgli­ed Merckx traut ihm das durchaus zu. „Vielleicht gewinnt er auch zehnmal die Tour, wer kann das schon wissen“, meinte er zu dieser Zeitung. Ganz auf Augenhöhe hielt er ihn aber auch nicht. „Erst wenn er den Giro fünfmal gewinnt und Mailand–Sanremo siebenmal, dann können wir mit Vergleiche­n beginnen“, meinte er. Radsport sei mehr als nur die Tour, ist die Überzeugun­g des Belgiers, der auch bei anderen Rennen glänzte. Froome fokussiert nur auf die Tour. Das Rennen darum, eine Radsportle­gende zu werden, wird er nicht gewinnen. Aber das gehört auch nicht zu seinem Konzept.

Magere Ausbeute für einen Gesamtsieg­er

 ??  ?? Auf diesen Moment haben die Fotografen gewartet: Chris Froome (rechts) fährt lächelnd über den Champ Elysees, seinem Tour-Sieg entgegen. Foto: David Stockman/dpa
Auf diesen Moment haben die Fotografen gewartet: Chris Froome (rechts) fährt lächelnd über den Champ Elysees, seinem Tour-Sieg entgegen. Foto: David Stockman/dpa

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