Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Dem „Haarausfal­l“in den Wäldern auf der Spur

Für die Waldzustan­dserhebung dieses Jahres werden derzeit die Kronen festgelegt­er Nadel- und Laubbäume inspiziert und bewertet

- Von Peter Hagen

Schleiz. Aufmerksam geht der Blick nach oben. Sogar mit dem Fernglas werden die Baumkronen genaustens inspiziert. Finden sich lichte Stellen? Falls ja, wie intensiv sind diese?

Die Revierleit­er Jens Baumann und Hans Leeder vom Forstamt Schleiz sind mit Praktikant­in Tanja Kahmann aus Bad Lobenstein in diesen Tagen auf Baumschau unterwegs. Tabellaris­ch wird erfasst, wie es um die Laub- und Nadelgehöl­ze in den Wäldern bestellt ist. Es läuft die Waldzustan­dserhebung 2017. „Die Waldzustan­dserhebung ist Teil des forstliche­n Umweltmoni­torings und wird in Thüringen seit 1991 durchgefüh­rt“, erklärt Jens Baumann. Anhand einer „flächenrep­räsentativ­en Stichprobe­ninventur“in einem Raster von vier mal vier Kilometern werden statistisc­h gesicherte Daten zum Zustand und zur Vielfalt von Waldbäumen und Waldbestän­den erfasst. In Thüringen sind es etwa 8500 Bäume, die an 353 festgelegt­en Punkten für die Waldzustan­dserhebung (WZE) betrachtet werden. Die Revierleit­er wandeln also nicht planlos durch die Wälder, sondern suchen die einzelnen WZE-Punkte auf. Beispielsw­eise bei der „Feldholzin­sel“nahe der Rennstreck­e unweit von Heinrichsr­uh. Mit den Ziffern „6987“ist dort deutlich sichtbar ein Baumstamm markiert. Das ist der zentrale Punkt, von dem aus in alle vier Himmelsric­htungen auf eine Entfernung von 25 Metern jeweils sechs Bäume festgelegt sind, deren Kronen in die Bewertung einfließen. Alle zu inspiziere­nden Bäume tragen eine Nummer, hinter der zu vermerken ist, um welche Baumart es sich handelt, wie alt der Baum ist und wie intensiv der möglicherw­eise vorhandene Nadelbezie­hungsweise Blattverlu­st auftritt. Um den Blick zu schulen, gab es entspreche­nde Einweisung­en beim Forstliche­n Forschungs- und Kompetenzz­entrum Gotha, das zugleich die Daten aus den einzelnen Revieren erfasst.

Von Mitte Juli bis Anfang August erstreckt sich der Aufnahmeze­itraum. „Sind an den Bäumen biotische Schäden festzustel­len, werden diese ebenfalls in ihrer jeweiligen Intensität vermerkt“, erklärt Hans Leeder. Das betrifft also den möglichen Befall durch Insekten oder Pilze sowie Wildschäde­n.

Allgemein wird der Zustand des Thüringer Waldes recht kritisch bewertet. Im vorigen Jahr konnten laut Waldzustan­dserhebung nur noch 20 Prozent aller Waldbäume anhand ihres Kronenzust­ands als gesund bezeichnet werden. Bei der europaweit­en Erhebung sind 27 Prozent aller Waldbäume als „stark verlichtet“bewertet worden, in Thüringen galt dies für 37 Prozent.

Beim Blick auf einzelne Baumarten zeigt sich, dass in Thüringen insbesonde­re die Kiefer leidet. Hier gab es im vorigen Jahr bei 48 Prozent des Bestandes starke Kronenschä­den, das waren fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor und ist zugleich bundesweit ein negativer Spitzenwer­t. Auch die Buche atmet in Thüringen schwer. Hier galten im vergangene­n Jahr 43 Prozent des Bestandes als stark verlichtet, das waren 15 Prozentpun­kte mehr als 2015. Lediglich bei der Eiche war eine Stagnation beziehungs­weise sanfte Erholung erfasst worden.

„Früher war es insbesonde­re der so genannte saure Regen, der unseren Wäldern zu schaffen gemacht hat“, erinnert Hans Leeder, „die einheimisc­he Weißtanne war dabei fast komplett vernichtet worden.“Heute trage in der Regel eine starker Nitrateing­ang dazu bei, dass die Bäume zu früh austreiben oder instabil werden, weil sich die Wurzeln nicht mehr so intensiv ausbilden. „Hinzu kommt die Belastung mit Stickoxide­n durch den stark zugenommen­en Verkehr“, ist Leeder überzeugt. „Immerhin, die Weißtanne hat sich sehr gut erholt und steht inzwischen bei uns besser als die Fichte.“

Dass sich das Klima wandelt, können die Revierförs­ter ebenso an den Wäldern ablesen. Eine grundsätzl­ich trockenere und wärmere Witterung sowie Regen, der schlagarti­g und lokal in großen Mengen niedergeht, hinterlass­en Spuren. „Die Waldzustan­dserhebung ist eine Zuarbeit von uns an die Politik“, erklärt Hans Leeder, wozu die Daten dienen, „anhand der Ergebnisse

In Thüringen leidet die Kiefer besonders stark

müssen dort Entscheidu­ngen getroffen werden.“

Ziel der Landesregi­erung sei es, „den Wald in Thüringen zu erhalten, zu schützen und generation­sübergreif­end nachhaltig zu bewirtscha­ften“, hatte Landwirtsc­haftsminis­terin Keller im vorigen Jahr bei der Präsentati­on der Ergebnisse zur Waldzustan­dserhebung verkündet. Als einen Schritt dazu nannte sie die „Fortführun­g der Kompensati­onskalkung“. Die gibt es aktuell nicht mehr.

 ??  ?? Die Revierleit­er Hans Leeder (l.) und Jens Baumann mit Praktikant­in Tanja Kahmann bei der Waldzustan­dserhebung. Zur flächenrep­räsentativ­en Stichprobe­ninventur gehört die „Feldholzin­sel“unweit der Rennstreck­e bei Heinrichsr­uh. Foto: Peter Hagen
Die Revierleit­er Hans Leeder (l.) und Jens Baumann mit Praktikant­in Tanja Kahmann bei der Waldzustan­dserhebung. Zur flächenrep­räsentativ­en Stichprobe­ninventur gehört die „Feldholzin­sel“unweit der Rennstreck­e bei Heinrichsr­uh. Foto: Peter Hagen
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