Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Dem „Haarausfall“in den Wäldern auf der Spur
Für die Waldzustandserhebung dieses Jahres werden derzeit die Kronen festgelegter Nadel- und Laubbäume inspiziert und bewertet
Schleiz. Aufmerksam geht der Blick nach oben. Sogar mit dem Fernglas werden die Baumkronen genaustens inspiziert. Finden sich lichte Stellen? Falls ja, wie intensiv sind diese?
Die Revierleiter Jens Baumann und Hans Leeder vom Forstamt Schleiz sind mit Praktikantin Tanja Kahmann aus Bad Lobenstein in diesen Tagen auf Baumschau unterwegs. Tabellarisch wird erfasst, wie es um die Laub- und Nadelgehölze in den Wäldern bestellt ist. Es läuft die Waldzustandserhebung 2017. „Die Waldzustandserhebung ist Teil des forstlichen Umweltmonitorings und wird in Thüringen seit 1991 durchgeführt“, erklärt Jens Baumann. Anhand einer „flächenrepräsentativen Stichprobeninventur“in einem Raster von vier mal vier Kilometern werden statistisch gesicherte Daten zum Zustand und zur Vielfalt von Waldbäumen und Waldbeständen erfasst. In Thüringen sind es etwa 8500 Bäume, die an 353 festgelegten Punkten für die Waldzustandserhebung (WZE) betrachtet werden. Die Revierleiter wandeln also nicht planlos durch die Wälder, sondern suchen die einzelnen WZE-Punkte auf. Beispielsweise bei der „Feldholzinsel“nahe der Rennstrecke unweit von Heinrichsruh. Mit den Ziffern „6987“ist dort deutlich sichtbar ein Baumstamm markiert. Das ist der zentrale Punkt, von dem aus in alle vier Himmelsrichtungen auf eine Entfernung von 25 Metern jeweils sechs Bäume festgelegt sind, deren Kronen in die Bewertung einfließen. Alle zu inspizierenden Bäume tragen eine Nummer, hinter der zu vermerken ist, um welche Baumart es sich handelt, wie alt der Baum ist und wie intensiv der möglicherweise vorhandene Nadelbeziehungsweise Blattverlust auftritt. Um den Blick zu schulen, gab es entsprechende Einweisungen beim Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha, das zugleich die Daten aus den einzelnen Revieren erfasst.
Von Mitte Juli bis Anfang August erstreckt sich der Aufnahmezeitraum. „Sind an den Bäumen biotische Schäden festzustellen, werden diese ebenfalls in ihrer jeweiligen Intensität vermerkt“, erklärt Hans Leeder. Das betrifft also den möglichen Befall durch Insekten oder Pilze sowie Wildschäden.
Allgemein wird der Zustand des Thüringer Waldes recht kritisch bewertet. Im vorigen Jahr konnten laut Waldzustandserhebung nur noch 20 Prozent aller Waldbäume anhand ihres Kronenzustands als gesund bezeichnet werden. Bei der europaweiten Erhebung sind 27 Prozent aller Waldbäume als „stark verlichtet“bewertet worden, in Thüringen galt dies für 37 Prozent.
Beim Blick auf einzelne Baumarten zeigt sich, dass in Thüringen insbesondere die Kiefer leidet. Hier gab es im vorigen Jahr bei 48 Prozent des Bestandes starke Kronenschäden, das waren fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor und ist zugleich bundesweit ein negativer Spitzenwert. Auch die Buche atmet in Thüringen schwer. Hier galten im vergangenen Jahr 43 Prozent des Bestandes als stark verlichtet, das waren 15 Prozentpunkte mehr als 2015. Lediglich bei der Eiche war eine Stagnation beziehungsweise sanfte Erholung erfasst worden.
„Früher war es insbesondere der so genannte saure Regen, der unseren Wäldern zu schaffen gemacht hat“, erinnert Hans Leeder, „die einheimische Weißtanne war dabei fast komplett vernichtet worden.“Heute trage in der Regel eine starker Nitrateingang dazu bei, dass die Bäume zu früh austreiben oder instabil werden, weil sich die Wurzeln nicht mehr so intensiv ausbilden. „Hinzu kommt die Belastung mit Stickoxiden durch den stark zugenommenen Verkehr“, ist Leeder überzeugt. „Immerhin, die Weißtanne hat sich sehr gut erholt und steht inzwischen bei uns besser als die Fichte.“
Dass sich das Klima wandelt, können die Revierförster ebenso an den Wäldern ablesen. Eine grundsätzlich trockenere und wärmere Witterung sowie Regen, der schlagartig und lokal in großen Mengen niedergeht, hinterlassen Spuren. „Die Waldzustandserhebung ist eine Zuarbeit von uns an die Politik“, erklärt Hans Leeder, wozu die Daten dienen, „anhand der Ergebnisse
In Thüringen leidet die Kiefer besonders stark
müssen dort Entscheidungen getroffen werden.“
Ziel der Landesregierung sei es, „den Wald in Thüringen zu erhalten, zu schützen und generationsübergreifend nachhaltig zu bewirtschaften“, hatte Landwirtschaftsministerin Keller im vorigen Jahr bei der Präsentation der Ergebnisse zur Waldzustandserhebung verkündet. Als einen Schritt dazu nannte sie die „Fortführung der Kompensationskalkung“. Die gibt es aktuell nicht mehr.