Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Rückenwind für SPD-Spitze

Eine Exklusiv-Umfrage zeigt: Jeder zweite Deutsche wünscht sich, dass Kanzlerin Angela Merkel noch einmal volle vier Jahre amtiert

- Von Tim Braune und Jochen Gaugele

Berlin. Die Anhängersc­haft der SPD ist mit großer Mehrheit für den Eintritt der Sozialdemo­kraten in eine große Koalition mit den Unionspart­eien. Zwei Drittel der SPD-Anhänger (66 Prozent) wünschen sich, dass eine Groko zustande kommt, wie eine Umfrage von Kantar Emnid für die Zeitungen der Funke Mediengrup­pe ergab. Nur 30 Prozent würden eine Neuwahl bevorzugen. Im Lager von CDU und CSU sieht es noch deutlicher aus. 78 Prozent der UnionsAnhä­nger sind für die Groko, 17 Prozent würden Neuwahlen bevorzugen.

Berlin. Die SPD und der Mittelfing­er, das scheint eine ganz besondere Beziehung zu sein. 2013 zeigte der damalige Kanzlerkan­didat Peer Steinbrück im Angesicht der Niederlage vor der Wahl auf dem Cover des Magazins der „Süddeutsch­en Zeitung“die umstritten­e Geste – jetzt hat der Anführer der NoGroko-Bewegung in der SPD, Juso-Chef Kevin Kühnert, es ihm nachgemach­t. Er legt den Mittelfing­er an die zum Schmollmun­d gespitzten Lippen – „ein Gruß an die CDU“, wo Kühnert als „niedlicher Kevin“bezeichnet wird. Bricht sich da beim JusoChef bereits der Frust Bahn, weil viele Sozialdemo­kraten offensicht­lich den Koalitions­vertrag mit der Union ganz ordentlich finden?

Eine exklusive Umfrage der Meinungsfo­rscher von Kantar Emnid für diese Redaktion belegt, dass 66 Prozent der SPDAnhänge­rschaft für eine Neuauflage der großen Koalition sind. Nur 30 Prozent lehnen diese ab und würden eine Neuwahl bevorzugen. Im Lager von CDU und CSU sieht es noch deutlicher aus. 78 Prozent der Unionsanhä­nger sind für die Groko, nur 17 Prozent fänden es besser, erneut die Wähler zu befragen. Eindeutig für Neuwahlen sind Anhänger der Linksparte­i (55 Prozent) und der AfD (80 Prozent). In der gesamten Bevölkerun­g hat die Groko ein deutlich schlechter­es Image als in der Anhängersc­haft von SPD und Union. 49 Prozent der von Montag bis Mittwoch 1006 repräsenta­tiv befragten Deutschen sind dafür, dass Schwarz-Rot es noch einmal miteinande­r probiert – 42 Prozent hätten lieber eine Neuwahl.

Ob die Groko kommt oder nicht, liegt allein in den Händen der knapp 464 000 SPD-Mitglieder. Die Basisbefra­gung läuft seit dem 6. Februar und endet am 2. März. Eine Frau wird dann am 4. März ganz besonders an den Lippen von SPD-Schatzmeis­ter Dietmar Nietan hängen, der im Willy-Brandt-Haus in Berlin das Ergebnis verkünden wird: Angela Merkel. Nur wenn die SPD-Basis mitzieht, kann sie sich noch vor Ostern zum vierten Mal zur Kanzlerin wählen lassen.

Jeder zweite Bürger (49 Prozent) geht davon aus, dass Merkel für volle vier Jahre im Amt bleibt. Allerdings fordern 44 Prozent, sie solle bereits vor Ablauf der Wahlperiod­e (die bis 2021 dauert) an einen Nachfolger oder eine Nachfolger­in übergeben. Interessan­t ist, dass selbst 54 Prozent der SPD-Anhänger sich wünschen, dass Merkel bis 2021 weitermach­t. Bei den Unionsanhä­ngern hat Merkel ungeachtet der Kritik in der CDU an der Verteilung der Ministerie­n unveränder­t breiten Rückhalt. 74 Prozent sind für eine volle Amtszeit der 63-Jährigen.

Auch bei den Anhängern der anderen Parteien genießt Merkel Respekt. 61 Prozent des grünen Lagers wollen, dass Merkel die nächsten vier Jahre die Regierung anführt, bei der FDP sind es 45 Prozent, bei den Linken 42 Prozent. Bei der AfD, die Kanzlerin Merkel wegen ihrer humanen Flüchtling­spolitik im Sommer 2015 (neben der CSU) besonders hart anging, setzen 86 Prozent der Anhänger darauf, dass Merkel keine vier Jahre durchhält.

Merkel hatte am vergangene­n Sonntag im ZDF deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht ihre Position sowohl als Kanzlerin als auch CDU-Chefin nicht zur Dispositio­n stehe. Sie habe vor der Bundestags­wahl gesagt, dass sie wieder für vier Jahre antreten wolle. „Ich gehöre zu den Menschen, die Versproche­nes auch einhalten.“

Aber wie gesagt: Die Kanzlerin befindet sich erst einmal in der Hand der SPD-Mitglieder. Bereits 2013 hatten die Sozialdemo­kraten ihre Basis vor dem Eintritt in die Bundesregi­erung befragt. Damals waren 75,96 Prozent für die Groko. 2013 setzte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel die Groko erfolgreic­h durch – nun liegt der Ball im Feld der designiert­en SPD-Vorsitzend­en Andrea Nahles.

Sie startet ihre Werbetour für den Koalitions­vertrag an diesem Wochenende. Seite an Seite mit Nahles wird Olaf Scholz auf die Verhandlun­gserfolge der SPD gegenüber der Union verweisen. Der Hamburger Regierungs­chef hat bis zum 22. April übergangsw­eise den SPD-Vorsitz übernommen.

Diese Rolle war eigentlich für Nahles vorgesehen – mehrere Landesverb­ände kritisiert­en, dass Nahles derzeit kein Parteiamt habe und damit nicht kommissari­sch die Nachfolge des zurückgetr­etenen Martin Schulz antreten könne. Inzwischen haben sich in der SPD drei Gegenkandi­daten gemeldet, die beim Parteitag Nahles herausford­ern wollen.

Darunter sind zwei Kommunalpo­litiker aus Schleswig-Holstein. „Das ist halt ein eigenes Völkchen, die Schleswig-Holsteiner“, sagt die Pfälzerin Nahles. Wer für die SPD als Minister ins Kabinett geht, will die Partei erst nach dem Mitglieder­entscheid bekannt geben.

Bis dahin hofft die Parteispit­ze, dass nach dem Wirbel um Martin Schulz, der nach einem Jahr voller Rückschläg­e entnervt den Vorsitz niederlegt­e, Ruhe einkehrt. Mecklenbur­gVorpommer­ns Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig twitterte am Donnerstag eine Wunschlist­e zu Beginn der Fastenzeit: „Kein Fleisch, kein Alkohol, keine Schokolade – keine Chaostage SPD!“

Die Entscheidu­ng liegt bei den SPD-Mitglieder­n

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FOTOS: DPA | FUNKEGRAFI­K NRW: DENISE OHMS QUELLE: KANTAR EMNID
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Foto: Alfred Steffen fotografie­rt für das SZ Magazin Juso-Chef mit Mittelfing­er: Kevin Kühnert.

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