Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Um vorherige Anmeldung wird gebeten
Es war eine Guerilla-Aktion. Aber ein Überfall der friedlichen, zivilisierten Art. Das müssen die Grünen zugeben. Auch wenn sie sich über den ungebetenen Besuch aus dem Saale-Holzland-Kreis geärgert haben.
Was war passiert? Es saßen so um die 50 Grüne bei ihrem traditionell in Eisenach stattfindenden Politischen Aschermittwoch zusammen. Den Anlass finden die Ökos recht nett, obwohl er eine Erfindung der bajuwarischen CSU ist. Deren brachiale Bierseligkeit zum Faschingsausklang muss man ja nicht auch noch kopieren. Wein und Bionade tun es auch. Also Einlass ab 18 Uhr, und wer nicht mit dem eigenen SUV anreisen will, der könne sich an einer gemeinsamen Hin- und Rückfahrt mit dem Zug ab Erfurt beteiligen. Kosten werden übernommen, um Anmeldung wird gebeten.
Die Bitte müssen Tobias Gruber und einige Mitstreiter, die auch keine Windkraftanlagen im Holzland dulden, wohl übersehen haben. Kurz nach 19 Uhr waren sie plötzlich da, verteilten gedrucktes Agit-Prop-Material gegen die Energiewende, die ihrer Meinung nach total falsch läuft, und Gruber enterte die kleine Bühne. Da waren gerade zwei wirklich gute Hobby-Kabarettisten zu Werke, so dass der kostümierte Gruber zunächst wirkte, als gehöre er zum Programm. Seine Anrede „Liebe Freunde des Hanfanbaus und der Umweltzerstörung“löste jedoch eine gewisse Irritation aus. Bis der Überfall bemerkt wurde. Nicht enden wollender Beifall ließ Grubers Botschaften dann ungehört verhallen, was, Hut ab, auch eine zivilisierte Methode zur Abwehr Andersdenkender darstellt. Einsam zurück blieb ein rot bekleckster Plaste-Kranich oder -Reiher, stellvertretend für alle gefiederten Schlagopfer von Windrädern. Gruber will übrigens als
Volkhard Paczulla ist Reporter der Ostthüringer Zeitung
Kandidat für die Landratswahl am 15. April antreten. Mit dem übersichtlichen Programm der Gegnerschaft zu Windrädern, und im Wald schon gar nicht. Die Kandidatur ist zu begrüßen. Weil sich am Ergebnis ablesen lässt, ob es wirklich nur kleine, aber laute Grüppchen sind, denen die Energiepolitik von Rot-Rot-Grün nicht passt, oder ob sich kritische Massen an Wählern dahinter verbergen.
In politischen Aschermittwochsreden kommen eher selten gute Pointen vor. Und ich weiß schon gar nicht mehr, ob es eine solche war oder ob es irgendwem in einem Kommentar einfiel. Aber mein persönlicher Hit in diesen Tagen ist die Aussage, die SPD steuere auf eine Situation zu, in der sie mehr Mitglieder als Wähler hat. Boah eh! Da muss der Mensch erst mal drauf kommen.
Viel früher drauf kommen können hätte eine Bundesregierung, dass Deutschland wegen der dicken Luft in großen Städten eine böse Klage vor dem Europäischen Gerichtshof droht. Und dass sie mit Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe enden kann. Bei Nichtabstellen des beanstandeten Übels immer wieder, da ist die EU gnadenlos. Das deutsche Friedensangebot heißt nun kostenloser Nahverkehr. Was ein bisschen irreführend ist, weil der Nahverkehr dann immer noch kostet. womöglich sogar mehr. Aber nicht für die Fahrgäste. Das ist die Idee. Sie wird landestypisch sofort zerredet. Der eine sagt den Zusammenbruch der Fahrsysteme wegen Überfüllung voraus, der nächste weiß von der Unbezahlbarkeit. Und ein Dritter sieht den Sozialismus durch die Hintertür zurückkommen. Keiner fragt, wie lief das damals eigentlich im belgischen Hasselt, als dort 1997 das Mitfahren im Nahverkehrsbus ohne Fahrschein möglich wurde. Niemand schaut ernsthaft ins estnische Tallinn, das die kostenlose Nahverkehrsnutzung schon seit Jahren durchhält. Selbst US-amerikanische Städte probten bereits Kostenfrei-Modelle (an dieser Stelle herzlichen Dank, Wikipedia). Und woran noch gar niemand dachte: Der Streit, ob Schwarzfahrer vor Gericht gehören oder nicht, der würde sich in Luft auflösen. Sogar in saubere. Windkraftgegner Tobias Gruber aus dem Saale-Holzland-Kreis tauchte unangemeldet beim Politischen Aschermittwoch der Grünen in Eisenach auf. Es dauerte ein Stück, bis bemerkt wurde, dass Gruber nicht zum Programm gehörte. Foto: Volkhard Paczulla