Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Versuch einer Annäherung

Das Treffen zwischen der Kanzlerin und dem türkischen Premier verläuft nüchtern

- Von Michael Backfisch

Berlin. Nein, der große Durchbruch wird an diesem Donnerstag nicht verkündet. Bundeskanz­lerin Angela Merkel steht vor der blauen Wand im Presseraum des Kanzleramt­s. „Wir hoffen, dass es nach einem Jahr ein schnelles und rechtsstaa­tliches Verfahren für Deniz Yücel geben wird“, sagt sie. Seit dem 14. Februar 2017 sitzt der deutsch-türkische „Welt“-Korrespond­ent in Istanbul in Untersuchu­ngshaft – ohne Anklagesch­rift. Merkel spricht von einer „Trübung unserer Beziehunge­n“und einer „Bürde“. Die Inhaftieru­ng von Deniz Yücel ist zum traurigen Symbolthem­a im deutsch-türkischen Verhältnis geworden. Die Kanzlerin redet nüchtern, fast geschäftsm­äßig. Zu ihrem Gast, dem türkischen Ministerpr­äsidenten Binali Yildirim, schaut sie nur selten. Es ist ein schwierige­r Besuch.

Auch Yildirim gibt sich beim Thema Yücel zurückhalt­end. Der Fall liege in den Händen der Gerichte, die Türkei sei ein „Rechtsstaa­t“. Immerhin sagt er auf Nachfrage eines Journalist­en: „Wir hoffen, dass in kurzer Zeit das Verfahren stattfinde­t. Jede Verhandlun­g ist eine Hoffnung.“Eine Andeutung zumindest, dass Bewegung in die Sache kommt. Im ARD-Interview am Mittwoch klang Yildirim noch optimistis­cher: „Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelass­en wird.“Die Tonlage hat sich in jedem Fall geändert. Im vergangene­n Jahr hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan behauptet, solange er an der Macht sei, werde Yücel nicht freigelass­en.

Die Kanzlerin definiert rote Linien. Eine Verknüpfun­g der Freilassun­g Yücels mit deutschen Rüstungsex­porten in die Türkei werde es nicht geben. Diese würden ohnehin „sehr restriktiv“gehandhabt. Bei der Frage der Visafreihe­it für Türken tritt Merkel ebenso auf die Bremse wie bei einer Erweiterun­g der Zollunion. Diese hänge von „Fortschrit­ten beim rechtsstaa­tlichen Mechanismu­s“ab, sagt sie mit Blick auf die Lage der Menschenre­chte. Später versucht sie, Dampf aus der Sache zu nehmen. Sie redet von der „großen Bedeutung der deutschtür­kischen Beziehunge­n, den langjährig­en Wirtschaft­sbeziehung­en, den gemeinsame­n Interessen – auch in komplizier­ten Zeiten“. Es ist einer der seltenen Momente, in denen der türkische Premier lächelt. Er verweist auf die drei Millionen türkischst­ämmigen Menschen in Deutschlan­d. In Syrien verteidige sein Land die „Südflanke der Nato“, sagt Yildirim. Und bittet um mehr Verständni­s beim Kampf gegen „Terroriste­n“wie den „Islamische­n Staat“(IS).

Am Ende der Pressekonf­erenz hält die Kanzlerin lakonisch fest: Man müsse „intensiv“miteinande­r reden, ein Gesprächsk­lima schaffen. „Manches wird nicht sehr einfach sein. Den Versuch wert ist es allemal.“Wenigstens den Versuch einer Annäherung.

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