Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Hupkonzert­e und Handzeiche­n

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Olympische Nächte sind kurz. Der eine schwört auf extrastark­en Kaffee zum Wachwerden, der andere auf eine eiskalte Dusche. Oder auf die morgendlic­he Laufrunde; sie pumpt Sauerstoff in den Körper und sorgt außerdem für einen gehörigen Adrenalin-Schub. Denn Joggen im Straßen-Dschungel von Gangneung, unserer olympische­n Heimat, heißt auch: Wegrennen vor den Blechlawin­en.

Sechs- und achtspurig­e Asphaltpis­ten verlaufen kreuz und quer durch die 240 000-Einwohners­tadt an der koreanisch­en Ostküste. Ein Auto klebt am anderen. Um manche Kreuzungen zu überwinden, braucht es eine eigene Karte. Und Mut. Fußgängerü­berwege werden hier offenbar als sinnfreie Form der Straßenmal­erei betrachtet. Es hält einfach niemand an.

Dafür dröhnt es in den Ohren. An der Hupe scheinen die Koreaner genauso viel Spaß zu haben wie am Gaspedal. In nahezu jeder Situation wird gehupt: beim Anrollen an der Ampel; wenn der Vordermann nicht schnell genug rechts abbiegt und sogar beim Spurwechse­l. Laut kommt weiter.

Wie Oasen der Ruhe wirken dadurch die kleinen Parks inmitten der grauen Betonwüste. Sie sind akkurat angelegt, ordentlich gepflegt und an verschiede­nen Stellen mit drei, vier Fitnessger­äten ausgestatt­et. Doch weder auf dem Stepper, noch auf dem Ergometer oder an der Hantelbank war bislang jemand zu sehen. Müssen wahrschein­lich alle arbeiten. Der Koreaner gilt ja als fleißig – und sehr nett. Was sich jeden Morgen bestätigt: Egal, wann dieser vermummte Europäer daherkommt, es wird gewunken, geklatscht und der Daumen in die Höhe gestreckt.

Anfangs dachte ich unbehaglic­h: Ob die mich vielleicht verwechsel­n? Da aber weder Physis noch Tempo einem Olympiasta­rter auch nur annähernd gleichkomm­en, muss es einfach Freundlich­keit sein. Und so grüße ich seither lächelnd zurück.

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Marco Alles joggt durch die koreanisch­en Straßen

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